Ein Plädoyer fürs Wiener Beisel
Von Martin Gantner
Ein Deutscher reitet aus, um das "unglaubliche, kulinarische Erbe" Wiens zu retten. So oder so ähnlich ließe sich das eben erschienene "Wiener Beisel Kochbuch" des Journalisten und Kochs Gerd Wolfgang Sievers umschreiben. Der Deutsche, der seit mehr als 20 Jahren in Wien lebt, will sein Buch als schmackhaftes Plädoyer verstanden wissen: "Genießen wir die heimischen Delikatessen, gekocht nach den bewährten Rezepten der Mütter und Großmütter!" Integration at its best. Das Motto: Vergesst das schottische Hochlandrind beim Edelwirten und die handgeschöpften Pizzateige in den Vapianos dieser Stadt. Frönt lieber den kulinarischen Wurzeln Wiens. Herzhaft die Panier. Das Schnitzel, es lebe hoch!
Kulinarische Bilder
Sievers liefert in dem 250 Seiten starken Buch geschätzte 250 Wiener Beisel-Spezialitäten. Angefangen vom Hirn mit Nierndl, über Schnitzel, bis hin zur obligatorischen Sachertorte. Vorspeisen stehen ebenso auf der Karte wie Schmankerln, Geflügel oder Innereien. Fürs Gewissen: Fisch- und Fastenspeisen. Garniert wird die Völlerei mit kulinarischen Fotografien von Christine Wurnig. Fotos, die Lust auf ausgedehnte Beiseltouren machen.
Ein wenig zu kurz im Rohr war die Abhandlung über das Wesen des Wiener Beisels an sich. Sievers beschränkt sich darauf, den Ort ein wenig klischeehaft als jene Zufluchtsstätte zu beschreiben, in der sich Strizzis und Polizisten gleichermaßen über ihr Gulasch beugen. Und auch ein etwas ausführlicherer Part, der beschreibt, bei welchen grantigen Kellnern in welchen urigen Lokalen die Strizzis, die Beamten oder schlicht man selbst die leckeren Dinge, die Sievers beschreibt und die Wurnig gekonnt in Szene setzt, bestellen kann, wäre wünschenswert.
Aber alles in allem ist beiden ein schöner Rundgang durch die Quells und Mehlers dieser Stadt gelungen. Dass Sievers bei seiner kurzen Auswahl aufs Gasthaus Blauensteiner vergessen hat, sei ihm schmerzlich verziehen.