Leben/Essen & Trinken

Bitter ist die außergewöhnlichste Geschmacksrichtung

Süßes erinnert an die Kindheit, Saures macht lustig – aber bitter? Über diese eine unter den fünf Geschmacksrichtungen wird gern die Nase gerümpft. "Wenn wir davon sprechen, ist zu bedenken, dass es keinen objektiven Geschmack gibt", sagt Manuela Rüther. Bitterkeit ist auch keine objektiv messbare Eigenschaft. Die deutsche Köchin und Journalistin hat sich ein Jahr mit dem ihrer Meinung nach heutzutage vernachlässigten bitteren Geschmack beschäftigt. "Von den fünf Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami ist bitter für mich die außergewöhnlichste, die anderen sind gefälliger." Sie ortet derzeit eine Renaissance des Bitteren, die nach der Spitzengastronomie nun auch Hobbyköche ergreift.

Und da gibt es viel zu entdecken, vor allem abseits von bekanntem Bittersalaten wie Endivie, Radicchio oder Chicorée. Manuela Rüther nennt etwa Spargel, Sellerie oder Kohl, in denen ebenso Bitterstoffe stecken – "aber ohne sich aufzudrängen". Wer Bitteres liebt, werde allerdings bei der Familie der Zichoriengewächse fündig werden. Der erwähnte Radicchio hat vor allem in Norditalien eine große Tradition und ist dort in unzähligen Variationen erhältlich. Und auch das Interesse an der bitteren Wegwarte, die an Weg- und Ackerrändern wächst, nimmt wieder zu.

Kaffee: Milch und Zucker puffern die Säure ab

Woran viele beim bitteren Geschmack gar nicht denken: Auch die beliebten Genussmittel Kaffee und Tee enthalten viele Bitterstoffe. "Beim Kaffee werden die bitteren Noten zusätzlich beim Aufbrühen und durch die Röstung beeinflusst. Milch und Zucker puffern die Säure abermals", sagte Rüther dem Schweizer Magazin "Bioterra".

Sogar in Desserts harmonieren Bitterstoffe. "Das Süße und das Bittere balancieren sich aus, ohne dass eines von beiden langfristig die Oberhand gewinnt." Und das, erklärt die Köchin, finde sie "kulinarisch interessanter. Desserts, die nur süß sind, sind einfach nur langweilig". Für derartige Geschmacksempfindungen sorgen Zitrusfrüchte wie Pomeranze (Bitterorange), Cedro, Zedratzitrone, aber auch die bekannte Grapefruit, die sich gut in Cremen oder Granités verarbeiten lassen. Und nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang: Rohkakao und Bitterschokolade als bitter-süße Kuchenzutat.

Buchtipp: Bitter, Der vergessene Geschmack, AT Verlag, ISBN: 978-3-03800-924-5, 30,80 Euro