Leben

Simazwanzge sechzge, bittsche

Ich glaube ja nicht an Geschlechter-Klischees. Ich denke, dass die Unterschiede zwischen Individuen viel wichtiger sind, als die zwischen Geschlechtern. Ich fühle mich durch Geschlechter-Klischees nicht abgebildet – ich bringe es einfach nicht fertig, mich für Technik, Uhren und Filme mit Autoverfolgungsjagden zu interessieren. Warum sind die Geschlechter-Klischees trotzdem so beliebt? Weil sie die Illusion von Sicherheit verleihen. In einer immer unübersichtlicher werdenden Welt sind sie eine Art Handlauf, dem entlang man gehen kann, ohne unangenehm aufzufallen.

Aber. Wenn ich mit meiner Freundin und meiner Tochter auf der Piste stehe, denke ich mir stets: Frauen haben einfach keinen Orientierungssinn.

„Fahren wir zum Essen in die Schnitzelhütte, die ist doch da vorne?“ Nein, mein Kind, die ist zwei Berge weiter. „Und wie wär’s mit der Austropop-Hütte?“ Die, mein Schatz, ist in einem anderen Skigebiet, da müssten wir eine Stunde mit dem Auto fahren. Wir einigen uns auf die Katzenhütte. Okay, fahrt voraus, sage ich. Vier Augen schauen mich leer an. Die Katzenhütte ist einen halben Hang entfernt, aber die beiden müssten wochenlang suchen, um hinzufinden. Einmal ging meine Freundin auf der Piste verloren. Stunden später rief sie an: Sie sei im Tal, finde aber das Quartier nicht. Wo sie sich befinde, fragte ich. „Ja, eh in Dorfgastein!“ Es stellte sich dann heraus, dass sie in Großarl war.

Die Katzenhütte heißt bei uns Katzenhütte, weil in ihr ein riesiger, schwarzer Kater lebt, der aus schwefeligen Augen böse schaut. Wir schätzen sie außerdem, weil es dort Spaghetti-Portionen gibt, fast so groß wie der Kater. Und weil die Hüttenwirtin beim Abrechnen immer in herrlichem Salzburgerisch sagt: „Simazwanzge sechzge, bittsche.“ Und ich sag’ dann „Dreißge, danksche“ und fühle mich zuhause.