Leben

Die Preis-Leistungs-Gesellschaft

Frühling. Jene Jahreszeit, in der uns der Lebenshilfe-Journalismus seitenweise Tipps gibt, wie man die „Frühjahrsmüdigkeit“ überlebt. Im Sommer erklären sie uns dann, dass man bei Hitze keinen Anorak tragen soll, und im Winter, wie man sich richtig schnäuzt. Aus der Sicht der Lebenshilfe-Journalisten sind wir offenbar alle teilentmündigt.

Jetzt häufen sich in den Medien auch wieder die Artikel im Tonfall „Wenn Sie drei Mal pro Woche laufen, verlieren Sie xy Kilo und leben um x Komma y Jahre länger“. Das finde ich, gerade weil ich sehr gerne laufe, ziemlich merkwürdig: Ich betrachte das Leben nicht als Spiel, bei dem jener gewinnt, der als letzter stirbt. Aber wir leben in der Preis-Leistungs-Gesellschaft: Alles erfährt seinen Wert erst in Relation zu Kosten und Nutzen. Ein grauslicher Wein schmeckt gleich viel besser, wenn er noch billiger war, als er grauslich ist. Und als größter Nutzen gilt derzeit eine tatsächliche oder vermutete gesundheitsfördernde Wirkung. Es wird nicht mehr lang dauern, und Wirte werden auf der Speisekarte nicht nur die Inhaltsstoffe eines Gerichts dazuschreiben müssen, sondern auch die erzielte Lebenszeitverlängerung in Monaten.

Niemand kommt mehr auf die Idee, dass man Dinge einfach deshalb tun könnte, weil sie Freude bereiten. Aber genau deshalb geh ich laufen: Weil es für mich purer Genuss ist. Abnehmen und Gesundheit würden mir als Motivation nicht reichen, das wäre mir zu freudlos.

Apropos Abnehmen: Ich bin draufgekommen, dass die Lauf-App Runtastic bei mir von den Körpermaßen 1,80 und 75 Kilo ausgegangen ist. Ich hab jetzt meine richtigen Daten eingespeichert, seither verbrauche ich bei jeder Laufrunde 100 Kalorien mehr. Wenn ich einmal ganz schnell ganz viel abnehmen will, gebe ich ein, ich wöge 160 Kilo und sei 3 Meter 60 groß.