Leben

Durch den Matsch

Ich wohne gegenüber einem Supermarkt. (Zugegeben, das klingt jetzt nicht nach einer Geschichte, die es wert ist, als Musical mit Liza Minnelli verfilmt zu werden.)

Das Blöde ist nur: Der Supermarkt will keine Kunden. Jedenfalls keine, die anders als mit dem Auto anreisen. Der Supermarkt liegt zwischen einer Straße und einer Wohnsiedlung mit ca. 1.500 Einwohnern. Erreichbar ist er aber nur von der Straßenseite aus (sein Parkplatz wurde übrigens unlängst auf die doppelte Fläche vergrößert, obwohl er noch niemals voll geparkt war, nicht einmal Samstagmittag).

Gleichzeitig tut der Supermarkt alles, um unerwünschte Kunden von der Wohnsiedlungsseite abzuhalten. Zwischen Siedlung und Supermarkt gibt es keinen Weg, sondern einen Wiesenstreifen zur Abgrenzung. Will man korrekten Fußes zum Supermarkt gehen, muss man dessen Areal umwandern und sich von der Straßenseite nähern. Weil das natürlich kein Mensch macht, gehen alle über den Wiesenstreifen und trampeln die Wiese zu Matsch. Alle paar Jahre sperrt der Supermarkt (oder die Gemeinde) den Matsch ab, lässt neues Gras säen, das dann wieder zu Matsch getrampelt wird.
Jetzt hat man endlich das einzig Logische getan und einen Weg zwischen Siedlung und Supermarkt angelegt. Allerdings hat man ihn hinter einem Trafohaus versteckt und so ungeschickt geplant, dass er nicht der direkten Gehrichtung entspricht. Der Weg wird daher – Menschen verhalten sich wie Wasser und suchen stets die leichteste Route – vollkommen ignoriert, die Leute gehen weiter durch den gerade wieder mit Grassamen verzierten Matsch.

Das alles sehe ich täglich vom Schreibtisch aus, es ist eine gute Show, und ich hoffe, nächstes Jahr baut der Supermarkt einen Schlepplift übers Trafohaus oder einen Tunnel mitten durch.