Leben

Hase und Igel, digital

Weil ich lange als grimmiger Verweigerer der Microblogginplattform „twitter“ galt und erst vom dort mit ungefähr 120 Prozent der Stimmen regierenden österreichischen Landeshauptmann Armin Wolf in einem knapp einstündigen Beichtgespräch zur Teilnahme bekehrt wurde, werde ich regelmäßig und nicht ohne einen gewissen hämischen Unterton gefragt, wie es mir denn nun so gehe in den pseudsozialen Medien.

„Eh“, sage ich dann meistens, „ein bisserl anstrengend ist es halt.“ Das liegt am dort obwaltenden digitalen Hase-Igel-Syndrom, das dann auf besonders asoziale Art zuschlägt, wenn sich das soziale und das pseudosoziale Netzwerk am selben Ort befinden. Kürzlich zum Beispiel hatte ich an meinem früheren Wohnort das Vergnügen, mit Journalismus-Studentinnen über das Ende der Zeitung und die Zukunft von Allem zu diskutieren. Hinterher wusste ich: Einer der asozialsten Aspekte der pseudosozialen Netzwerke ist die Tatsache, dass Du als Vortragender nicht so schnell twittern kannst wie als Zuhörender.

Ich hatte keine Chance. Als ich den Hörsaal verlassen hatte, wollte ich auf Twitter sehen, ob es den anwesenden Damen und Herren gelungen war, meine Großartigkeit in angemessener Form zu würdigen. Es ging so, aber hier schien mir ein Zitat nicht ganz präzise zu sein und dort kam mir vor, dass man mich absichtlich missverstanden hatte. Ich wollte eben mit den notwendigen Korrekturen beginnen, als ich merkte, dass das für mich bedeutet hätte, alle Reaktionen und die Reaktionen auf die Reaktionen auf meine nicht in meinem Sinn wiedergegebenen Ansichten korrigieren zu müssen. Ich gab also auf, noch ehe ich begonnen hatte klarzustellen, was ich wirklich meinte, und das ist, glaube ich, der wirkliche Sinn und Zweck der pseudosozialen Medien.