Florian Holzers Restauranttest: Mayer und Freunde
Alexander Mayer, einer der besten Köche des Landes, hatte bei der Auswahl seiner Wirkungsstätten nicht immer nur ein glückliches Händchen – kaum ein anderer Koch wechselte so häufig wie er. Die Wanderjahre dürften jetzt vorbei sein, schließlich entwickelte der Anwalt Daniel Gahleitner mit ihm ein Lokalkonzept, das jedem Koch zur Freude gereicht: Ein Feinkostgeschäft mit allerbesten Waren kleiner Edel-Produzenten sowie ein einziger, großer Tisch, den Mayer mit Gerichten beschickt, auf die er gerade Lust hat oder die sich anbieten, etwa wenn er ein schönes Stück Fleisch oder einen tollen Fisch aus der Bretagne bekommen hat, „unkompliziert und mit Spaß“. Ein paar Sachen stehen immer auf der Karte, wirklich spannend wird’s aber, wenn man Mayer einfach machen lässt. Schinkensulz „Jambon Persillé“ nach burgundischem Vorbild etwa, grandios; oder Grünspargel mit Artischocke, Wildkräutern und Schafjoghurt-Marinade, der pure Frühling; eine Ceviche wie die von Zander und Seesaibling wird man in Österreich lange suchen, für die sagenhaften Gyoza mit einer Fülle aus Schweinsfüßen und französischer Rohwurst gilt dasselbe: überirdisch! Oder ein Mayer-Klassiker, das Spinat-gefüllte Kalbsbutterschnitzerl mit extra-französischem (sehr viel Butter!) Püree (Gerichte 8,– bis 16,– €, 5gg Menü je nach Zutaten 24,– bis 60,– €). Dass es abwechselnd vier verschiedene Top-Leberkäse und die besten Weißwürste Münchens gibt, unterstreicht das schlaraffische Niveau dieses Lokals. Am besten, man kommt mit großem Hunger vorbei.
Mayer und Freunde
Wien 1, Jasomirgottstr. 4,
Mo-Fr 11-20, Sa 11-17,
www.facebook.com/mayerundfreunde
Bewertung:
Küche: 31 von 35
Keller: 8 von 10
Service: 14 vvon 15
Atmosphäre: 13 von 15
Preis/Wert: 19 von 20
Familie: 2 von 5
Gesamt: 87 von 100
florian.holzer@kurier.at
Der Küchen-Nomade
Darauf haben viele gewartet. Alexander Mayer, ein Koch, der nirgendwo lange geblieben ist, hat jetzt in der Wiener Innenstadt ein Bistro eröffnet. Porträt eines Ausnahmekochs.
Von Herbert Hacker (Senior Editor des Falstaff-Magazins)
Nein, ein richtiges Sitzfleisch hat er nicht. Wie kaum ein anderer Spitzenkoch wechselte Alexander Mayer im Laufe der Zeit seinen Arbeitsplatz. All die Stationen, die er hinter sich brachte, würden eine lange Liste an Lokalen füllen. Und immer hinten nach, eine treue Fangemeinde, eine eingeschworene Feinschmecker-Karawane, die ihm überall hin folgte, egal wo er gerade in den Kochtöpfen rührte. Der 47-Jährige wechselte die Herdplatten, wie andere die Socken.
Jetzt hat er wieder eine neue Bleibe. In der Jasomirgottstraße in der Wiener Innenstadt hat Mayer zusammen mit einem Partner ein Bistro mit Chef’s Table und Edelgreißlerei eröffnet. Name: „Mayer und Freunde“.
Doch wer ist der Mann, an dessen Küchenschürze die Menschen hängen wie an einem Futtertrog, der heute da und morgen schon wieder woanders ist? Die, die ihn kennen, sagen, er ist ein Qualitätsbesessener, einer, der ganz klare Vorstellung davon hat, was gut ist und was nicht, und der auf eine gnadenlose Weise kompromisslos ist.
Seine Konsequenz im Umgang mit dem Begriff Qualität hat es ihm jedenfalls nicht immer leicht gemacht, mitunter ist das auch ein Grund, weshalb er so oft die Türklinke in die Hand genommen hat. Vielleicht lag es aber auch an manchem seiner Arbeitgeber, die nicht tief genug in die Geldtasche greifen wollten, weil es Mayers Kochstil nicht zum Diskont-Tarif gibt.
Alexander Mayer ist in vielerlei Hinsicht ein Ausnahmekoch, einer der besten des Landes, mit Sternen und Hauben überhäuft. Einer, der eine brutale Ausbildung in einer Zeit hinter sich hat, in der Koch-Lehrlinge noch durch die Küche geprügelt wurden, der das Kochen tief verinnerlicht hat, der auf die klassische, französische Küche schwört und der von Köchen wenig hält, die mit einer Pinzette an minimalistischen Kreationen herumstochern. „Ich koch’ mit meinen Händen“, sagt Mayer, „und mit meinem Bauch.“
Geboren und aufgewachsen ist Mayer in St. Sebastian, nahe von Mariazell in der Steiermark. Seine Mutter war eine Zeit lang im Gastgewerbe, seinen leiblichen Vater kennt er nicht. Dafür hatte er schon früh Kontakt mit Andreas Leodolter vom Gasthaus „Lurgbauer“, einer der schon früh statt der üblichen Milchkühe schwarze Angus-Rinder auf seinem Grundstück herumlaufen ließ, die dann von seiner Frau zu genialen Fleischgerichten verarbeitet wurden. „Den Leodolter haben die Nachbarn damals für verrückt erklärt“, sagt Mayer. Das renommierte Gasthaus Lurgbauer, in dem jetzt der Junior kocht, gibt es heute noch. Ein gefeiertes Feinschmeckerlokal.
Gelernt hat Mayer in den ehemaligen „Kadlez Stuben“ in Floridsdorf, zu Beginn der 1980er-Jahre. Es war eine Zeit, in der Köche nicht annähernd jenen Stellenwert hatten, den sie heute haben. „Du wüst bei uns kochen, Burli?“, fragte damals der Küchenchef und grinste hämisch, „dir is aber schon bewusst, wos des bedeutet. Jeden Tag 16 Stunden hackeln, 50 Grad in der Küche und wenig Geld.“ Doch Mayer ließ sich nicht davon abbringen.
Die „Kadlez Stuben“ waren damals nach französischem Vorbild organisiert mit Gardemanger, Potager, Entremetier, Rotisseur und Patissier. Mayers erstes Aufgabengebiet aber war die Abwasch, erst danach durfte er das „Erdäpfelkammerl“ reinigen. „Diese Arbeit macht keinen Sinn“, muckte Mayer einmal auf und bekam zu hören: „Richtig, das macht keinen Sinn. Aber darum geht es nicht. Du bist hier ein Niemand, verstehst du, darum geht es.“
Wenn Mayer von dieser Zeit erzählt, dann klingt das so, als wäre er im Krieg gewesen. Mayer: „Beim geringsten Fehler gab es eine Gnackwatschen und du bist quer durch die Küche geflogen.“
Mayer sagt heute, dass er damals viel gelernt hat. So wurde ihm auch beigebracht, was man aus ganzen Tieren machen kann, ob Fleisch, Knochen oder Fett, alles wurde verarbeitet. „Vom Rotisseur hab ich am meisten gelernt“, sagt Mayer.
Mayer kochte Jahre später im ehemaligen „Dennstedt“, mit seinem damaligen Kochkollegen Harry Brunner zog es ihn nach Paris, um dort kurze Zeit gemeinsam für die Fußball-WM zu kochen. Mayer: „Ich hab mich in diese Stadt sofort verliebt, ich war plötzlich im Epizentrum der weltbesten Küche.“
Ende der 1990er-Jahre kochte Mayer dann im „Theatercafé“ am Wiener Naschmarkt, dort hatte er bereits eine große Fangemeinde. Er lernte die Französin Nathalie Le Reun kennen, sie stammt aus der Bretagne, mit ihr lebt er bis heute zusammen. Alexander Mayer wurde auch dadurch zusehends frankophiler, ebenso sein Kochstil. Danach folgte eine Reihe von Auftritten in den verschiedensten Restaurants des Landes. Es sind viele Namen, man holte ihn, weil er im Ruf stand, ein genialer Koch zu sein. Doch Mayer bleib nie lange.
Im Wiener Restaurant „Vincent“ im zweiten Bezirk erhielt er die höchsten Auszeichnungen seiner Laufbahn: drei Hauben im Gault Millau und einen Michelin-Stern. Ein Tester von Michelin versicherte ihm damals, man habe ihn bereits für den zweiten Stern im Auge.
Mayer hat viele Küchen von innen gesehen. Ein kochender Wanderhirte. Jetzt hat er ein eigenes Lokal und ihm und seiner Fangemeinde ist zu wünschen, dass er diesmal etwas länger bleibt.
Jedenfalls länger als bisher.