Leben

Louie Austen über Vielseitigkeit

freizeit: Herr Austen, wir sitzen hier auf Ihrer Ranch in Kritzendorf. Woher kommt Ihre Leidenschaft für Tiere?

Louie Austen: Die kommt eigentlich von meiner Frau Sonja. Sie liebt Tiere, vor allem Pferde. Irgendwann habe ich ihr ein Pferd geschenkt und sie meinte nur: „Und wo stellen wir das jetzt hin?“ Ich war mir sicher, dass wir etwas finden werden und so war es dann auch.

Sie sind immer elegant angezogen, auf der Bühne und auch zuhause, wo Sie mit Pferden, Hühnern und Ziegen leben. Was liegt Ihnen mehr: Die Rolle des Bühnenstars oder des Teilzeit-Farmers?

Die meiste Arbeit macht ja meine Frau, aber grundsätzlich ist das Spannende am Leben, dass man in Schwingung kommt. Und die reicht von gatschig, dreckig und zerrissen bis fein herausgeputzt und frisch gemacht. Mich hat schon immer die Vielschichtigkeit interessiert.

Immer nur fein auf der Bühne stehen?

Nein. Aber nur im Gatsch herumgraben geht auch nicht.

Was hat es mit Ihrem weißen Anzug auf sich? Sie könnten bei Ihren Auftritten auch einen schwarzen Smoking tragen.

Die ersten 30 Jahre meines Berufslebens habe ich das auch gemacht, aber Schwarz war so schwer. Weiß hingegen ist luftig und leicht. Ich bin aufgrund meiner Vielseitigkeit nicht leicht einzuordnen. Da habe ich damit spekuliert, dass die Leute sagen: „Ich weiß zwar nicht, wie er heißt, aber das ist der mit weißem Anzug, Hut und Sonnenbrille.“

Die Farbe Weiß steht für rein und unschuldig. Wofür stehen Sie?

Ich würde mein Innenleben als schön und harmonisch bezeichnen, gleichzeitig spüre ich aber auch Spannung und Funken. Das kann ich zum Glück beides auf meine Umgebung übertragen. Es freut mich, wenn ich beim Singen die Menschen mit meiner Begeisterung anstecken kann. Das ist ein Geschenk. Manchmal kann ich kaum glauben, dass ich als Kind mit autistischen Zügen überhaupt so weit gekommen bin.

Warum bezeichnen Sie sich selbst so?

Ich hatte das Pech, dass ich als Kind mit einem Feuermal mitten im Gesicht geboren wurde. Das hat ‚ned leiwand‘ ausgesehen und ich wurde zwischen dem sechsten und 17. Lebensjahr zirka 15-mal ärztlich behandelt. Das war ein schwieriger und schmerzhafter Prozess. Ab und zu habe ich mit ein paar Buben Fußball gespielt, sonst habe ich mich aber eher zurückgezogen.

Wie sind Sie als kleiner Bub mit der Einsamkeit zurechtgekommen?

Ich bin mir wegen dem Feuermal wie ein Marsmensch vorgekommen, zusätzlich war ich ein Einzelkind. Ich wollte mir eine Welt schaffen, in der es mir gut geht. Als der Sandrisser Hannes, ein Nachbarkind, dann sein Akkordeon hergegeben hat, bat ich meine Eltern, es mir zu kaufen. So wurde die Musik mein Zufluchtsort.

Kommen Sie aus einem musikalischen Elternhaus?

Ich komme aus einer Arbeiterfamilie. Mein Vater war Schlosser und Eisenbahner, meine Mutter Näherin und Strickerin. Ich wusste, dass Geld bei uns immer knapp war. Sogar der Staubsauger musste in Raten abbezahlt werden. Das Akkordeon hat damals 300 Schilling gekostet und mein Vater hat es langsam abgestottert. Und das Größte war, dass meine Eltern mir einmal pro Woche einen Musiklehrer finanziert haben. Das war eine kulturelle Leistung der beiden, die unglaublich ist.

Waren Sie ein Naturtalent?

Ich dachte immer, ich wäre schon ganz gut – bis ich als Teenager einen Kassettenrekorder bekommen und mich aufgenommen habe. Als ich es mir angehört habe, bin ich bewusstlos zu Boden gefallen. Ich war grottenschlecht und habe danach drei Monate keine Musik mehr gemacht.

Wie haben Sie Ihren Antrieb wiedergefunden?

Mit 16 habe ich an den legendären Gerhard Bronner geschrieben, weil mich doch wieder der Ehrgeiz gepackt hat. Profi-Musiker zu werden, war zwar lange kein Thema für mich, aber ich dachte, Singen muss doch zu lernen sein. Bronner hatte damals eine Radiosendung und damit alles in der Hand. Er lud mich tatsächlich zu einem Vorsingen ein, aber ich habe keinen Ton herausgebracht. Normalerweise hätte er sagen müssen: „Burli, mach was anderes.“ Aber er hatte Größe und meinte: „Ich kann aufgrund Ihres Vortrages nicht beurteilen, ob Sie Talent haben. Wenn Sie es wissen wollen, sollten Sie Gesang studieren. Vielleicht wird’s was.“ Damit hat er mir das Leben gerettet. Ohne den Zuspruch hätte ich sicher aufgegeben.

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Das Feuermal hat Sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gestört?

Das hatte sich nach den vielen Eingriffen stark gebessert. Schönheit war ich trotzdem keine. Ein Lehrer am Konservatorium, wo ich in der Operettenklasse war, meinte einmal: „Du bist genau so schiach wie ich. Wenn du älter bist, kannst du Charakterkomiker werden.“ Ich dachte mir nur: „Und was mache ich bis dahin?“ Darauf hatte er auch keine Antwort.

Sie sind dann ins Ausland gegangen: Südafrika, Australien und Amerika. Warum konnten Sie dort nicht Fuß fassen?

Es hat sich für mich herausgestellt, dass das Land der Träume nicht das Land der Träume war. Las Vegas war für mich als junger Mensch das Mekka der Unterhaltungsindustrie. Als ich zum ersten Mal abends den Lichtkegeln nahe gekommen bin, war ich begeistert. Aber untertags bin ich draufgekommen, dass alles aus Plastik ist. Nehmen wir einen Tiroler Bergbauern, der auf seiner Zither spielt. Da fang ich zum ‚Rearn‘ an. Es ist alles echt, kein Licht, keine Show, nix. Aber in Vegas war alles bis ins kleinste Detail geprobt. Das hat mich gestört.

Für eine Weltkarriere könnte man ja ein Auge zudrücken.

Das war nur ein Grund. Ich hatte damals auch viel mit Musikmanagern zu tun. Es hieß immer: „Wir rufen uns zusammen.“ Dann habe ich nie mehr etwas von den Leuten gehört. Diese Oberflächlichkeit habe ich nicht ausgehalten. Die Doppelmoral auch nicht. Einerseits hat Amerika die größte Porno-Industrie der Welt, andererseits ist es das prüdeste Land der Welt. Wenn du einer Frau sagst, dass sie eine tolle Frisur hat, landest du dafür womöglich im Häf'n.

Zurück in Österreich wurden Sie dann Barsänger in Hotel Hilton in Wien. War es das, wovon Sie geträumt hatten?

Nein, aber es war eine Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren. Ich habe Frank Sinatra gesungen, auf der Gitarre gespielt und wurde von einem Pianisten begleitet. Zuerst dachte ich mir, das geht sich nicht aus, aber dann hatten wir damit großen Erfolg. Die Klimt-Bar im Hilton war dann die bestfunktionierende Bar weltweit und musste sogar drei Mal vergrößert werden. Bis 1985 war sie der Treffpunkt. Danach hatte ich drei Angebote von unterschiedlichen Hotels in der Hand. Ich bin dann ins Marriott gewechselt, wo ich Unterhaltungsprogramme entwickeln konnte – von der Country- und Westernshow bis zu „Chicago 1930“.

Was haben Sie als Nachtmensch untertags gemacht?

Ich bin an einem Tisch mit Sonnenschirm auf der Donauinsel gesessen und habe Räder vermietet. Ein Freund hat mir erzählt, dass er Räder vermietet und dafür 30 Schilling pro Stunde bekommt. Da habe ich ihn gefragt, ob ich mitmachen kann. Das war ein gutes Geschäft. Nach ein paar Monaten hatten wir 160.000 Schilling in der Kassa. Wir waren die Pioniere der Donauinsel. Anfangs gab es einen Eissalon, einen Würstelstand und unseren Fahrradverleih. Sonst nichts.

Und was war mit der Musik?

Ich habe weiter im Marriott gesungen und 1999 zufällig Mario Neugebauer kennengelernt. Er hat Elektromusik produziert und wir haben begonnen zu experimentieren. Da kam mir wieder meine Vielseitigkeit zugute. Ich habe eigene Texte und Melodien drübergesungen. Normalerweise wurden Stimmsamples dafür verwendet, keine Sänger. Nach ein paar Monaten waren wir so weit und unser erstes Album „Consequences“ ist erschienen. Das war mein Durchbruch.

Kamen mit dem großen Erfolg auch die Groupies?

Es gab zwar immer Damen, die zu meinen Liedern getanzt haben oder Fotos machen wollten, aber meistens war ich nach den Auftritten einfach nur müde. Ich habe hinter der Bühne ein Bier getrunken und bin danach ins Hotel gefahren. Es gibt ein paar Sachen, die für Männer wichtig sein sollten. Das Einzige, was im Leben zählt, ist etwas Dauerhaftes.

Das klingt nach einer Erkenntnis, die erst reifen musste.

Das stimmt. Ich bin zum vierten Mal verheiratet, aber heute weiß ich, dass meine Frau Sonja die letzte große Liebe meines Lebens ist.

Kann man da überhaupt noch eine Garantie für die Liebe abgeben?

Ich bin kein großer Fan von Peter Cornelius, aber für einen Satz liebe ich ihn. Er stammt aus dem Lied „Segel im Wind“ und lautet: „Du bist a Frau, bei der man völlig vergisst, dass es no andere gibt. Ma draht si nimma nach de anderen um, weil ma sie gor nimma siecht.“ Die Damen vor der Bühne schmeicheln mir, es ist für mich aber leicht, mich zurückzuhalten. Kennen Sie Ihre Frau von einem Konzert? Nein, vom Tennisplatz. Sie hat vor einigen Jahren zwei Plätze neben mir gespielt und es hat mir gefallen, wie sie sich bewegt. Gleichzeitig dachte ich mir: Sie ist wie ein Wildpferd in einer Herde, über dessen Existenz man sich erfreut. Aber wenn man versucht, das Tier zu fangen, tötet man den göttlichen Glanz. Ich hatte keine Strategie, auch wegen der 18 Jahre Altersunterschied. Ich dachte auch nicht, dass ich ihr gefalle.

Wie hat es dann doch noch geklappt?

Ich habe ihr ein Brieferl geschrieben. Sinngemäß stand drinnen, dass ich sie aus der Ferne beobachte und damit zufrieden bin. Ich habe es ihr überlassen, auf mich zuzukommen und sie hat es tatsächlich getan. Um eine Metapher zu kreieren: Ich habe mich dann als Wildhüter der Serengeti in diese Leopardenfrau verliebt. Das zu schaffen, verlangt ein gewisses Alter. Die Idee ist, jemandem Freiheit zu schenken, wenn man ihn liebt. Sonja ist bei mir in Freiheit.

Die Liebe des Lebens ist gefunden, die Karriere läuft. Was gibt es noch zu tun?

Es gibt so viele Dinge, die ich noch lernen möchte. Der Psychiater Erwin Ringel hat einmal gesagt: „Ich möchte gerne als fertiger Mensch sterben und wie ein fauler Apfel vom Baum fallen.“ Mir gefällt diese Analogie. Das Leben wird immer spannender, so erlebe ich es zumindest. Ich war auch noch nie so fit wie jetzt.

Was ist die beste Art, jung zu bleiben?

Ich glaube, es ist Neugierde und der Wunsch, täglich besser zu werden. Egal, ob als Partner oder im Beruf. Ich werde niemals aufhören zu forschen und zu entdecken. Denn wenn ein Kreativer einmal an diesem Punkt angelangt ist, stirbt er. Die kindliche Neugierde, die jeder von uns in sich trägt, ist ja grundsätzlich immer da. Viele hören nur einfach auf, sie zu benutzen.

Für Sie gibt es also kein Aufhören?

Das Aufhören ist der letzte Atemzug.

Louie Austen, 67, wurde als Alois Luef in Wien geboren. Er studierte Gesang und Schauspielerei in Wien und ging danach einige Jahre ins Ausland. In den USA sah er Dean Martin mehrmals live auf der Bühne. Begeistert davon begann er nach seiner Rückkehr in die Heimat, die Schlager von Martin, Sinatra & Co. zu singen. Als Barsänger im Hotel Hilton feierte er damit erste große Erfolge. Der Durchbruch als Künstler gelang ihm 1999, als er ein neues Genre für sich entdeckte. Für das Album „Consequences“ wurden seine Texte und Melodien mit Elektromusik unterlegt, was großen Erfolg hatte. Seit 1985 tritt Austen auch in der Cascade-Bar des Wiener Hotel Marriott auf, wo jeden Samstag „Louies Saturday“ stattfindet. Der Sänger ist zum vierten Mal verheiratet und pendelt mit seiner Frau Sonja zwischen Stadtwohnung und Landsitz. In Pension gehen möchte er nie.