Rudis Beisl: Wo es die Martinigans in Perfektion gibt
Von Bernhard Praschl
Es gibt viele spannende Zubereitungsmöglichkeiten für eine Gans; mit Apfel, oder mit Orange, oder mit beidem, mit Thymian, natürlich mit, eh klar, Rotkraut, mit ... Halt, Christian Wanek genügt eine. Und welche? „Na, die aus der FREIZEIT.“
Was, wie bitte? „Ja, ich brate die Gans nach dem Rezept, das ich vor zwanzig Jahren in der gelesen habe.“
„Ehrlich?“ – „Ja, ehrlich.“
Danke!
Danke, das ist aber ein schönes Kompliment, noch dazu von einem echten Experten. Denn Christian Wanek, der Maître von Rudis Beisl auf der Wiedner Hauptstraße, ist in Wien DIE Institution in Sachen Martinigansl.
Hören Sie sich um, Sie werden nichts Gegenteiliges erfahren. Er selber würde sich nicht derart rühmen, dazu ist Christian Wanek zu bescheiden. Aber fragen Sie die Gäste. Denn die sind nicht ohne. Schauen Sie sich um, die zahlreichen Fotos schreien es von den Wänden. Ob Musikstars wie Pianist und Beethoven-Experte Rudolf Buchbinder, Sportlegende Hans Krankl, Schauspieler und Musicalmacher Peter Weck oder, ist das etwa Cecilia Bartoli auf dem Foto dort drüben?
Ausplaudern tut er von den Tischgesprächen nichts, die Prominenz soll sich hier sicher fühlen. „Wie in einem Beichtstuhl“, sagt er. Und schaut dabei, naja, fast ernst.
Geheimnis der Gans
Besser gesagt bierernst. Das Geheimnis seines Gansls ist nämlich, dass es nach zwei Stunden im Rohr mit Bier bestrichen wird, bevor es erneut für eine halbe Stunde gebraten wird.
Food-Trends kommen und gehen. Das Martinigansl in Rudis Beisl aber bleibt seit Jahren ein Fixpunkt der herbstlichen Freuden. Das spricht sich herum, man sieht es, denn freie Sessel sind in dem lediglich 40 Plätze fassenden Beisl Mangelware.
Gute Gelegenheit, nachzuhaken, wer denn demnächst vorbeikommt. Ein bissl was ist dem Wirt dann doch zu entlocken. Etwa über die schon etwas älteren Zwillinge, die Stammgäste sind, aber nie gemeinsam reinschneien. Oder über einen gewissen Herrn, der es vor der Fastenzeit regelmäßig übertreibt. „Der war heuer schon drei Mal da“, lacht sich der Mann, der wie angegossen in die blaue Kochweste passt, ins Fäustchen. „Und für den 11. November hat er auch reserviert.“
Wenn ihm das ...
nur nicht zuviel wird. Aber was soll’s, Rudis Beisl ist eben ein Lokal eines Menschen, der das Essen liebt, für Gäste, die ihren Gastgeber lieben. Eine Win-win-Situation für alle, die in einer Mahlzeit mehr sehen als einen Nährstoffbaukasten.
Es ist eben nicht egal, was wir wo essen. Daher läutet das Telefon in Rudis Beisl auch so oft. Man erhält fast den Eindruck, als wolle halb Wien just zur Mittagszeit einen Tisch reservieren. Oder am Besten gleich zwei. Und dann noch die Adresse des Gänsezüchters frei Haus geliefert bekommen.
Kein Spaß
Aber da versteht Christian Wanek keinen Spaß. „Wo meine Gansl her sind, kann ich nicht verraten. Sonst bleiben ja für mich keine übrig.“ Stimmt. Denn der Hunger von Rudis Beisl auf die saisonale Spezialität ist so gewaltig, dass er gleich einen ganzen Abschnitt der Wiedner Hauptstraße in eine Wiese für Weidegänse verwandeln könnte.
Die Gänse kommen!“ heißt es bei ihm nicht nur für die Tage rund um den 11. November, sondern schon seit Anfang Oktober. „Das verlangt die Nachfrage“, verteidigt er sich. Und schiebt die Schuld auf das vor zwanzig Jahren in der erschienene Rezept.
20 Jahre Rudis Beisl
Er selber habe ja noch andere Sachen drauf, war lange Zeit in Holland und in Spanien, bevor er am 1. März 2000 vom Rudi, also einem Rudolf Stark, das Lokal gekauft habe.
„Nächstes Jahr feiere ich Jubiläum“, strahlt er. Und das im Frühjahr, also lange vor der Ganslzeit. Aber dann kann er sich wenigstens von einer anderen Seite zeigen. Fisch kann er jedenfalls genauso gut wie Tafelspitz, Backhendl oder Schnitzel.
Betont bodenständig
Zumindest sollte man sich schon ein bissl durch die Karte kosten. Immerhin ist Christian Wanek hoch dekoriert. „Bestes Beisl Österreichs“, Auszeichnungen der Gourmetbibel Falstaff, vom Tafelspitz, die „Goldene Kugel“ von Gault Millau und den Casinos Austria prangen an der Wand. Respekt, Respekt. Dabei geht es in dem „Wiener Wirtshaus-Wunder“ (Falstaff) alles andere als abgehoben, sondern betont bodenständig zu.
Über mangelnden Zuspruch kann der Kultwirt von der Wiedner Hauptstraße nicht klagen. Eher das Gegenteil. „Der Ofen rennt rund um die Uhr, und ich habe nur den einen.“
Rudis Beisl, Wiedner Hauptstraße 88, 1050 Wien, Mo-Fr 11-15h u. 18-23h