Open Air: Darling, ich bin im Sommer-Kino
Von Bernhard Praschl
Fragen Sie einen Kinobetreiber Ihres Vertrauens: Sommer, so galt es lange Zeit als Branchenweisheit, ist nix mit Popcorn vor der Leinwand. Alle wollen draußen sein, auch bis spät in die Nacht. Tote Hose vom Programmkino bis zum Multiplex. Selbst programmierte Sommer-Blockbuster wie „Fluch der Karibik“ oder das Remake von „Ben Hur“ mussten sich schon dem Outdoor-Trieb der Filmfans beugen.
Die Antwort auf diese Dürre in den Vorführsälen kam mit der passenden Technik. Ob mit Beamer oder per LED-Wand, Filme lassen sich seit Langem mit beeindruckender Qualität auch im Freien zeigen
Den Vogel abgeschossen aber hat Berndt Anwander mit seinen aufblasbaren „Airscreen“–Leinwänden. Der gelernte Stadtplaner hat das Freiluftkino schon vor 28 Jahren zum Geschäftsmodell gemacht. Mit Leinwandgrößen von 2x3 Meter bis 24x12 Meter (288 m²) tanzt er mit dem Wanderkino „VOLXkino“ und den Freiluft-Filmreihen „science fiction im park“, „Stumm&Laut“, „Kino am Dach“ auf gleich mehreren begehrten Sommerkino“-Hochzeiten.
Die größte Unternehmung dieser Art befindet sich freilich mit dem Musikfilm-Festival auf dem Wiener Rathausplatz. Vor der 300 m² großen Leinwand stehen immerhin 5.200 Sitzplätze zur Verfügung. Damit die dem Wettergott für den Fall der Fälle nicht unvorbereitet ausgeliefert sind, ist Hightech erforderlich. Filmfestival Rathausplatz“-Sprecherin
Katharina Krischke: „Wir sind in ständigem Kontakt mit dem meteorologischen Prognosesystemen von UBIMET und bekommen zur Wetterlage aktuelle Infos per Mail und SMS.“
Natürlich ist auch Glück im Spiel. Krischke: „Im letzten Jahr gab es wegen Unwetter nur an einem Abend einen Ausfall.“ Sonst freute man sich – von „Aida“ bis „
Depeche Mode“ – über 900.000 Besucher. Sicher, mit der Kulinarik-Meile im Rücken trudeln die Kinogäste fast von alleine ein. Heuer wird u. a. an den vor 100 Jahren geborenen Leonard Bernstein erinnert (siehe oben). Aber man schwelgt nicht nur in Erinnerungen, sondern denkt auch an das Klassikpublikum von morgen: Im Rathauspark werden jeweils freitags Kinderopern wie „Hänsel und Gretel“ und „Cinderella“ gezeigt. Bei freiem Eintritt ist das Freiluftkino am Rathausplatz natürlich ein totaler Publikumsmagnet. In den 28 Jahren seit Bestehen zählte man mehr als 14 Millionen Gäste.
Andere Anbieter ziehen ebenfalls mit freiem Eintritt mit – wie das seit knapp drei Jahrzehnten durch die Wiener Bezirke wandernde „Volxkino“ – oder sie sichern sich eine interessante Nische. Das frame(o)ut-Festival im Museumsquartier etwa bestreitet vom 13. Juli bis 1. September jeweils freitags und samstags mit Dokus, Spiel-, Kurz- und Experimentalfilmen lediglich 16 Spielabende, lockt aber mit dem Publikumshit „Cat Video Festival Vienna“.
Wer schon Fan vom Freiluftkino ist, wird heuer auf einschlägige Abende im Schloss Neugebäude und auf das „
Kino am Naschmarkt“ verzichten müssen. Dort bleiben die Leinwände dunkel bzw. wurden sie abgebaut. Dafür gibt es neuerdings ein Sommerkino in Aspern gleich vis-a-vis der U2-Station Aspern Nord. Ab 29. Juni werden dort an sechs Abenden heimische Produktionen zum Besten gegeben: von Josef Haders „Wilde Maus“ bis zum „Angriff der Lederhosenzombies“.
Wer den überlebt, ist geradezu geschaffen dafür, am 16. August beim Opening des Arena Sommerkinos dabeizusein: Gegeben wird „Mad Max: Fury Road“ mit Charlize Theron und zwar in der Black & Chrome Edition.
Die nunmehr neunte Ausgabe des Kurzfilmfestivals dotdotdot führt wieder zurück in die City, in den Garten des Volkskundemuseums in der Josefstadt. Unter dem Festivalmotto „We’re in this together now“ stehen ab 3. Juli in atmosphärischem Ambiente jeweils Donnerstag und Freitag 150 kurze und mittellange Filme auf dem Programm.
Apropos Museum: Der Newcomer Kino im Kammergarten im Unteren Belvedere geht ab 1. August in die zweite Saison und beweist erneut große Kreativität bei der Filmprogrammierung: Die Reihe „Spirit of 68“ mit Höhepunkten der Flower-Power-Ära wie „Barbarella“, „Harold and Maude“ und „Zabriskie Point“ ergänzt perfekt die zeitgleich laufende Ausstellung „Sag’s durch die Blume. Wiener Blumenmalerei von Waldmüller bis Klimt“ in der Orangerie.
Originell: Das Kinoticket ist zugleich Museumsticket. Während der Kinoreihe ist das Museum bis 20.30 Uhr geöffnet, „Film ab!“ heißt es um 21 Uhr.
Alles schön und gut bei Kaiserwetter. Aber wenn es doch einmal regnen sollte? Dann spürt man die Kraft des Kinos erst recht. Judith Wieser-Huber vom Kino unter Sternen: „,Casablanca’ am Karlsplatz im Rahmen der ,Exil’-Reihe. Es regnete und regnete, aber das Publikum war standhaft und ganz im Bann dieses Klassikers. Das ist doch das Schönste für uns Kinobetreiber: Wenn wir sehen, dass Filme noch immer begeistern und stärker als Kälte und Regen sind.