Michael Ostrowski über das Glück
Von Barbara Reiter
freizeit: Michi, ab kommenden Dienstag bist du im ORF in „Herr Ostrowski sucht das Glück“ zu sehen. Hast du es denn auch gefunden?
Michael Ostrowski: Der Ansatz ist ja, dorthin zu gehen, wo andere Leute ihr Glück suchen. Manche finden es im Sex, bei Grenzerfahrungen oder im Spiel. Ich habe unter anderem mit Menschen gesprochen, die Schlachten nachspielen: Zum Beispiel Deutsch-Wagram 1809. Wir haben in Uniform Schießen und Exerzieren geübt. Dann hieß es: „Gemma“ und wir haben am Feld gegen die Franzosen gekämpft. Der Oberst war im richtigen Leben Werbefachmann und meinte danach: Für ihn sei es pures Glück, sich in historische Situationen zu begeben. Glücksmäßig käme das für ihn gleich nach der Schokolade. Für „das andere“ sei er schon zu alt.
Und dein Glück? Wie sieht das aus?
Ich habe es bisher als komplett sinnlos erachtet, das Glück für mich zu definieren. Ich frage mich stattdessen lieber immer wieder, was mir Freude macht und was mich erfüllt. Denn danach treffe ich meine Entscheidungen: Spiele ich Theater, schreibe ich einen Film oder moderiere ich? Glück hat mich nie interessiert, weil es für mich nicht greifbar war. Ich suche viel lieber das Glück der anderen.
Das hindert dich ja nicht daran, das eigene Glück zu hinterfragen. Glaubst du an das Glück in der Liebe?
Ich glaube schon, dass Glück und Liebe miteinander verbunden sind. Aber mein Understatement im Leben ist, zu schauen, was ich gerne mache. Alles, was damit einhergeht, ist gut. Bei meiner TV-Glückssuche ist auch herausgekommen, das man dem Glück nicht nachlaufen soll. Man kann nur scheitern. Denn oft gibt es einen Anspruch, dem man selbst nicht gerecht werden kann.
Du wirkst sehr glücklich. Wurde dir das schon in die Wiege gelegt?
Da gibt es in meinem Fall einige Begünstigungen. Meine Eltern haben Humor und lachen beide sehr viel. Das ist eine Prägung, die aus meinem Umfeld kommt. Und dann kommt es darauf an, in welchem Umfeld das passiert. Wäre ich in Sierra Leone mitten im Bürgerkrieg auf die Welt gekommen, wäre ich sicher anders drauf. Weißt du, was ich meine?
Ja, schon. Das Glück, in einer intakten Umgebung aufzuwachsen, haben aber viele – und sie sind trotzdem unglücklich.
Es sind ja in meinem Leben auch schon Sachen passiert, die nicht wahnsinnig leiwand waren. Aber ich würde nie mein privates Unglück an die große Glocke hängen. Das geht nur Freunde und Familie etwas an. Ich habe eher das Gefühl, ich bin ansteckend mit guter Laune, als dass ich ein „Obizahrer“ bin. So soll es bleiben.
Viele Promis teilen ihr Privatleben gerne mit der Öffentlichkeit. Sonst würden sich die Klatschhefte nicht füllen.
Das mag schon sein. Ich habe eher das Gefühl, dass ich einen Teil von mir selbst bewahre möchte. Deshalb bin ich auch nicht auf Facebook oder Twitter, obwohl ich das für bestimmte Projekte andenken muss. Es gibt auch eine verständliche Form der Öffentlichkeitslust bei Menschen. Die finden es cool, wenn sie posten, wo sie gewesen sind und was sie gerade tun. Die sagen damit: „Ich mach das, ich bin wer.“ Bei mir gehört das ohnehin zum Job. Ich schreibe ein Drehbuch oder mache einen Film und sage dann: „Schaut’s, das habe ich die letzten zwei Jahre ausgebrütet.“ Aber ich muss nicht ein Foto posten, dass ich jetzt mit dir hier im Tobmann sitze.
Das machen dann wir. Du hast in einem Interview erzählt, dass es in Kuba keine Klatschpresse gibt. Wie war das?
Ich habe dort einmal gedreht. Das war eine interessante Erfahrung für mich. Die andere Seite ist, dass es in Kuba kaum Zeitungen gibt, weil alles staatlich kontrolliert ist. Aber wenn man das Schlechte sieht, muss man das Gute auch sehen. Ich bin mit den Hauptdarstellerinnen im Taxi gefahren und der Taxler hat sich nicht ang’schissen, weil die beiden mit ihm gefahren sind. So möchte ich das auch. Ich gehe gerne aus und rede gerne mit Leuten. Ich sehe mich aber als einer von ihnen und nicht als einen, den man auf ein Podest hebt, weil er im Fernsehen ist.
Dass du im Ausland Filme drehen kannst, ist natürlich auch nicht schlecht.
Es ist ein totales Glück, eine gute Arbeit zu haben und nebenbei Land und Leute kennenzulernen. Ich habe auch schon in Kambodscha gedreht. Als wir nach Abschluss des Films auf einem Schiff einen Fluss hinaufgefahren sind, habe ich zu Regisseur Detlev Buck gesagt: „Ich muss dir echt Danke sagen für die Zeit.“ In dem Moment habe ich Glück empfunden.
- Michael Ostrowski
Du hast Sprachen studiert, was dir das Drehen in anderen Ländern einfacher macht. Warum liest man von dir nie, dass du Magister bist?
Bei „Herr Ostrowski sucht das Glück“ habe ich mich unlängst mit „Ihr Magister Mike Ostrowski“ verabschiedet. In der Kunst war das nie Thema. Da ist es höchst peinlich, wenn du hinschreibst, dass du Magister, Doktor oder Diplomingenieur bist. Aber ich habe jetzt wieder damit angefangen, weil es so deppat ist.
Konntest du den Magister-Titel überhaupt einmal „brauchen“?
Direkt am Ende meines Studiums habe ich bei einer Flüchtlingsberatung gearbeitet und mich geweigert, meinen Magister-Titel einzusetzen. Bis ich gemerkt habe, dass es bei der Polizei und im Bundesasylamt besser kommt, wenn ich sage: „Hier spricht Magister Michael Ostrowski.“ Die ticken so, da war ich auf einmal wer. Für mich war es eine totale Erleichterung, dass das beim Theater und beim Film nichts mehr gegolten hat. In England und Amerika, wo ich studiert habe, ist es auch so, dass du mit den Professoren per Du bist. Nur bei uns bist du per Sie.
Obwohl es im Englischen ja schwierig ist, nicht per du zu sein.
„Hello you“, könnte man sagen. Die Professoren reden dich einfach mit dem Vornamen an und sagen dann: „Ich bin der Tom.“ Dann bist du per Du. Mir macht es auch Spaß, in der Kunst, die Kategorien durcheinanderzuwirbeln, weil sie nichts aussagen. Es gibt viele „Dodln“ die Akademiker sind und genauso viele „Dodln“, die keine sind. Es ist scheißegal. Ich habe eine akademische und eine künstlerische Ausbildung parallel gehabt. Für mich war die künstlerische fast noch intelligenter, weil sie eine „Learning by Doing“ und damit sehr intuitive Ausbildung war. Ich musste stark aus mir selber schöpfen. Das hat mich interessiert und ich bin dann den künstlerischen Weg weitergegangen.
Es hat sich ausgezahlt. Du hast 2013 so viele Filme gedreht wie noch nie. Glück?
Bestimmt auch. Ich kann nur sagen, dass ich über die Jahre gemacht habe, was für mich richtig war. Es braucht einige Zeit, bis Dinge woanders ankommen. In Wahrheit habe ich vor 15 Jahren im „Theater im Bahnhof“ in Graz nichts anderes gemacht als heute. Damals hat es halt kaum jemand gesehen, jetzt wissen es andere Leute auch. Deshalb kriege ich Angebote aus Deutschland, Kuba und was weiß ich, woher.
Deinen Durchbruch hattest du mit dem Film „Nacktschnecken“ 2004, für den du auch das Drehbuch geschrieben hast. Woher konntest du das?
„Learning by Doing“. Ich habe parallel dazu zwei Bücher über das Drehbuchschreiben gelesen. Eines war typisch amerikanisch und sehr pragmatisch. Dort ist gestanden, wie man die Überschrift schreibt und welche Schrift man verwendet. Die Amis verkopfen sich nicht. Das hat mir formal sehr geholfen. In einem anderen stand dann noch etwas über Plots und so einen Scheiß. Dann habe ich noch andere Drehbücher in Bücherform gelesen, damit ich weiß, wie andere das machen. „Pulp Fiction“ war auch dabei. In dreieinhalb Wochen war ich fertig und habe das Drehbuch bei einem Wettbewerb eingereicht.
Und dann?
Ich konnte es natürlich nicht. Aber ich habe es so geschrieben, dass der Regisseur Michael Glawogger gesehen hat: Da ist eine Substanz, die funktioniert. Dann haben wir es gemeinsam eineinhalb Jahre weiter bearbeitet. Nur dass man ungefähr weiß, was Drehbuchschreiben heißt. Es hat viel mit Ausdauer zu tun.
Und das Schauspiel? Du hast nie eine Schauspielschule besucht.
Nein, aber ich habe es über die Lehrer, Regisseure und Workshops im „Theater im Bahnhof“ gelernt. Ich kann heute sagen, dass ich sicherer als am Anfang bin. Aber man weiß nie, wie es geht. Ich habe das Handwerk gelernt, weiß, dass ich eine Bauchatmung brauche und gut stehen soll. Das ist eine Technik. Aber als Schauspieler lernt man nie aus. Das ist es doch, was uns alle am Leben erhält: Dass man immer besser werden oder etwas Neues entdecken will.
Mit dieser Einstellung bist du erfolgreich auf allen Linien. Ein Glück kommt eben selten allein.
Find ich gut den Satz. Obwohl ich ihn eigentlich nur anders kenne. Ein Unglück kommt selten allein.
Wir könnten den Satz einfach umdrehen.
Gute Idee! Wir beide haben die Kraft dazu. Es stimmt auch. Wenn man in irgendeiner Form glücklich ist, kommt noch was anderes dazu.
Bist du glücklich mit dem Gespräch?
Ja, total! Ein Glück, dass wir gesprochen haben.