Warum Tätowierer nackt auf Instagram posieren
Ihre nackten Körper werden nur von einem Schild und kunstvollen Tattoos bedeckt: Hunderte deutsche Tätowierer beteiligen sich derzeit in den sozialen Medien an der Aktion #ihrmachtunsnackt, indem sie ohne Kleidung und teilweise im Schnee vor der Kamera posieren. Die Kampagne soll auf fehlende oder stockende Auszahlungen der Corona-Hilfen aufmerksam machen, die den Gewerbetreibenden versprochen wurden. Anders als in Österreich müssen Tattoo-Studios in Deutschland noch geschlossen bleiben, während Friseure wieder aufsperren dürfen.
"Ich habe die Aktion ins Leben gerufen, weil es ein stiller Protest ist, der aber durch die Nacktheit Aufmerksamkeit findet", sagte der Bayreuther Tätowierer Dawid Hilgers-Lehner, der den Hashtag Mitte Jänner auf Instagram startete. Er berichtet von Bekannten, die keine Hilfen oder nur einen Abschlag bekommen haben - einige seien bereits pleite, sagte er. Der Protest richte sich aber nicht gegen die notwendigen Corona-Maßnahmen.
Unter ihren Fotos machen viele Tätowierer ihrer Verzweiflung Luft. Eine Betroffene berichtet, sie habe seit November 1.000 Euro bekommen. "1.000 Euro für 4 Monate, von denen ich und meine Familie leben soll. 250 € pro Monat für Lebensmittel, Miete, Kredit, Strom. Mein Tattoostudio muss zu bleiben. Es gibt kein Click & Collect, kein to go. Ihr lasst uns ausbluten", schreibt sie.
Eine andere schreibt: "Die Hilfen für November und Dezember wurden für viele noch gar nicht oder nur teilweise ausgezahlt und die Hilfen für Januar können erst seit gestern beantragt werden. Ab Januar gibt es jedoch lediglich Geld für laufende Betriebskosten, keine Entschädigung, die sich an unseren Umsätzen orientiert, von denen wir normalerweise auch unseren Lebensunterhalt bezahlen." Und weiter: "Im Volksmund sagt man 'einem nackten Mann kannst du nicht in die Tasche greifen' und genau das soll diese Aktion ausdrücken."
Den Bundesverband Tattoo freut, dass „eine ohnehin bunte Branche einen kreativen, friedlichen und originellen Weg gefunden hat, den eigenen, tiefgehenden, Sorgen Ausdruck zu verleihen“, sagte der Vorsitzende Urban Slamal. Die als „Bazooka“ angekündigten Hilfen seien ein Rohrkrepierer, die Liquidität der betroffenen Unternehmen werde branchenübergreifend immer dramatischer. Man müsse davon ausgehen, dass Versäumnisse von Bund und Ländern einer „nennenswerten Anzahl von Unternehmern die berufliche Existenz kosten werden“.
Hilgers-Lehner, übrigens ein ausgebildeter Intensivmediziner, wollte eine friedvolle Auseinandersetzung mit dem Thema. Zurzeit kursiere im Netz ein „Mix aus Verschwörungserzählern und Hass“, das habe er nicht mehr ausgehalten. „Mein Ziel war nicht, die Einschränkungen infrage zu stellen, sondern auf die ausbleibenden Zahlungen hinzuweisen“. Sein Ziel sei es, einen Dialog zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium und den Gewerbetreibenden zu erreichen. Mit den kunstvollen Fotos wurde der Aufschrei seiner Branche nun jedenfalls gehört.