Distance-Learning belastet jede zweite Familie
Die Corona-Krise dauert nun schon mehr als ein Jahr. Lockdowns und Distance Learning haben die Schülerinnen und Schüler ziemlich mitgenommen - und mit ihnen auch ihre Familie. Wie sehr, das hat jetzt eine Elternumfrage gezeigt, die das Nachhilfeinstitut Lernquadrat gemeinsam mit dem Verband der Elternvereine an den höheren und mittleren Schulen Wiens (VEV) durchführte.
Motivation sinkt
Zusammengefasst lässt sich sagen: Motivation und Fleiß sind in vielen Fällen auf der Strecke geblieben. Der Verlust von sozialen Kontakten und Alltagsroutine ging häufig einher mit einem Rückgang der Lernfreude, Gereiztheit und bei jedem vierten Jugendlichen auch mit verstärktem Suchtverhalten. Mehr als 40 Prozent der Eltern orten bei ihrem Nachwuchs ein Nachlassen der schulischen Leistungen, vor allem in den Hauptfächern Mathematik, Englisch und Deutsch.
Für Marcus Dekan, Vorsitzender der Elternvereine an Wiens höheren und mittleren Schulen merkt dazu an: "Wir merken, dass viele Kinder und Jugendliche psychisch unter der Situation leiden. Darauf sollte auch die Schule im kommenden Jahr Rücksicht nehmen. Kinder mental und emotional aufzurichten ist da wichtiger, als das Defizit an Stoff nachzuholen."
Dem Unterricht fehlt die Struktur
Am stärksten gestört hat die Eltern die fehlende Struktur: 68,4 Prozent der Eltern beurteilen die aktuelle Lernsituation ihrer Kinder als schlechter im Vergleich zu früheren Jahren. Als gravierendstes Problem im Distance Learning empfinden mehr als zwei Drittel die mangelhafte Strukturierung des Unterrichts. Vergleichsweise wenige Probleme gab es hingegen mit der Verfügbarkeit von Computern und dem Funktionieren des Internet. 49,3 Prozent sehen in der derzeitigen Schulsituation ihrer Kinder zudem eine Belastung des Familienlebens.
Kontakt fehlt
„Den Schülerinnen und Schülern selbst fehlt im Lockdown vor allem der persönliche Kontakt zu Mitschülern und Lehrkräften und die tägliche Routine“, kommentiert LernQuadrat Unternehmenssprecherin Angela Schmidt ein markantes Umfrageergebnis. Die Folgen sind nicht zu übersehen: 43,3 Prozent der Eltern bemerken bei ihren Kindern verstärkte Trägheit, viele auch Gleichgültigkeit und allgemeines Desinteresse, vor allem bei den Burschen. Mädchen wiederum verhalten sich im Lockdown öfter nervös, zornig und verärgert. Bedenklich: Nahezu jeder vierte Jugendliche reagierte auf die aktuelle Situation mit beginnendem oder verstärktem Suchtverhalten – von Spielen und Süßigkeiten bis zu Rauchen und Alkohol.
Eltern als Motivatoren und ...
Aber nicht alles wurde schlechter in den vergangenen zwölf Schulmonaten. 23,1 Prozent der Eltern stellten bei ihren Kindern Verbesserungen der schulischen Leistungen fest, bei Mädchen etwas öfter als bei Burschen. Positiv wird auch vermerkt, dass die Jugendlichen eine bessere Selbstorganisation lernten (39,5 Prozent) und sich im Umgang mit digitalen Instrumenten verbesserten (30,2 Prozent). 26,7 Prozent würdigen den Umstand, dass sie im Lockdown mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können.
... als Nachhilfelehrer
„Mehr als die Hälfte aller Eltern wird in Zeiten des Distance Learning häufiger als gewohnt zur schulischen Unterstützung ihrer Kinder in Anspruch genommen“, berichtet Angela Schmidt. Besonders gefragt sind die Eltern im Lockdown als Motivatoren (56,3 Prozent) und Lernorganisatoren (41,4 Prozent). Häufig ist Hilfe auch für das Verstehen der Aufgaben gefordert, besonders bei den jüngeren Schülerinnen und Schülern. Etwa jede fünfte Familie kompensierte im letzten Jahr die aus der Corona-Situation entstandenen Lern-Defizite ihres Kindes mit verstärkter Nachhilfe.
Durchschnittliche Zufriedenheit mit den Corona-Schulmaßnahmen
Bei der Beurteilung der krisenbedingt getroffenen schulischen Maßnahmen schneidet die Verwendung digitaler Plattformen im Distance Learning am besten ab. Auch das Abstand halten im Schulbetrieb und die Maskenpflicht in der Schule werden mehrheitlich positiv bewertet. Weniger einverstanden sind viele Eltern hingegen mit Online-Prüfungen. Auch eine allgemein mildere Benotung stößt bei den Eltern kaum auf Gegenliebe. Für den Schichtbetrieb in den Schulklassen finden sich etwa ebenso viele Befürworter wie Ablehnungen. Insgesamt werden die schulischen Maßnahmen in der Corona-Krise von den Eltern mit der Schulnote 3 beurteilt.
Tipps für die Zukunft
Wie lange die Pandemie-Krise das Schulleben noch beeinflussen wird, wagt derzeit niemand vorauszusagen. Für die kommende Zeit gibt LernQuadrat-Expertin Angela Schmidt ein paar Tipps. Den Eltern rät sie, auch im Distance Learning für einen geregelten Alltag mit Lernzeit und Freizeit zu sorgen, Erfolgserlebnisse mit ihren Kindern zu feiern und vor allem, sich ihrer Vorbildfunktion bewusst zu sein und Zuversicht auszustrahlen. Den Kindern helfen im Distance Learning oftmals Online-Lerngruppen, Lernpausen mit viel Bewegung an der frischen Luft und gezielte Entspannungsübungen. „Generell sollten wir uns bemühen, das Positive in dieser herausfordernden Situation zu sehen und zu schätzen wissen, welche Flexibilität Schüler und Eltern an den Tag legen. Das bringt auch wertvolle Erfahrungen für die Zukunft unserer Kinder mit“, so Schmidt abschließend.