Leben/Gehen

Warum der Donaupark blitzsauber ist

Ich gehe durch den Donaupark und erlebe Überraschungen. Auf dem Skateboardplatz tummelt sich nur eine junge Frau, vorschriftsmäßig mit Vans, Knie- und Ellbogenschützern adjustiert, und übt Geradeausfahren. Der Entschluss, zur Skateboarderin zu werden, ist offensichtlich noch sehr jung. Das lese ich an der Vorsicht ab, mit der sie ihr Board ein winziges Stück die Steilwand hinauffahren lässt, überrascht wie ein kleines Kind, das auch nicht glauben kann, dass die ersten Schritte gelungen sind. Dann rollt das Board wieder zurück ins Flache, geradeaus direkt in die Zukunft.
Der küzlich renovierte Donauturm überragt den 600.000 Quadratmeter großen Park zwischen Wagramer Straße,  Bruckhaufen,  Arbeiterstrandbadstraße und Hubertusdamm. Der Donaupark sieht jetzt  nicht  so verträumt und poetisch aus wie im Frühjahr, wo Zeilen blühender Kirschbäume sich quer über die Papstwiese schlängeln und uns nicht nur die Könner des Stadtgartenamts mit bunten Frühlingsblumen verwöhnen, sondern auch die alten, breitkronigen Zierbäume mit ihren üppigen Blüten.
Dafür verströmt der Park im Sommer, im Duft zahlloser Rosen, überschwänglich gute Laune. Menschen aus aller Welt bevölkern verschiedene Zonen und Wiesen, wienerische, türkische, fernöstliche, afrikanische Wiener, sie spielen Fußball, essen Picknick, betrachten die lustige Schmalspurbahn, die auf ihren Spielzeuggleisen ihre Runden durch den Park dreht, Blick auf die Donaucity, den Donauturm, den Westen Wiens mit seinen Hügeln, Weinbergen und verschwenderischen Lichtstimmungen.
Kaum zu glauben, dass hier, im Schwemmland der noch unregulierten Donau, einmal ein Schießplatz war, den die Nazis für die Hinrichtung missliebiger Wienerinnen und Wiener benutzten. Neben dem berühmten „China Sichuan“-Lokal an der Arbeiterstrandbadstraße befindet sich eine Gedenktafel, die an sie erinnert. Der Rest des Geländes wurde übrigens als riesige Mülldeponie genützt, bewohnt von Menschen, die sich im Niemandsland Kagrans provisorische Hütten bauten, bis die von den anschwellenden Müllwogen verschüttet wurden.
Erst 1960 fiel die Entscheidung, die Floridsdorfer Wastelands in einen Park zu verwandeln, der 1964 mit der Wiener Internationalen Gartenschau eröffnet wurde. Das sogenannte WIG-Gelände war für uns Kinder damals eine Sensation, weil man es auf einem Sessellift sozusagen überfliegen konnte. Schade, denke ich mir beim Umrunden der Papstwiese, dass es den nicht mehr gibt: einen Lift, auf dem man erstens nicht friert und zweitens seine Ruhe hat. Ein Herr an Stöcken kommt mir entgegen. Er braucht die Stöcke allerdings nicht zum Sporteln wie andere Nordic Walker, er verwendet sie für einen edlen Zweck. Visiert mit scharfem Blick herumliegende Eispapierln und anderen Abfall an, nimmt sie wie ein Hummer mit seinen Scheren in die Zange und führt sie der weiteren Verwendung im Mülleimer zu.
Mein anerkennendes Nicken quittiert der Herr lächelnd mit der Erklärung: „Ein Hobby von mir“. Zeit, ihm in aller Form danke zu sagen.

christian.seiler@kurier.at

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