Leben/Essen & Trinken

Statt Plastik: Ein essbarer Überzug soll Früchte frisch halten

Der Lebensmittelhandel steckt in der Zwickmühle. Plastikverpackungen für Gurken, Avocados und Co. sind für immer mehr Kunden tabu. Doch ohne die schützende Kunststoffhülle werden Obst und Gemüse oft schneller unansehnlich und damit unverkäuflich.

Deutschlands größte Lebensmittelhändler Edeka und Rewe testen deshalb jetzt neue Techniken, um die empfindliche Ware auch ohne Kunststoffverpackung länger frisch zu halten. Helfen soll eine hauchdünne, essbare Schutzschicht, die direkt auf die Schale der Früchte aufgetragen wird.

"Zweite Haut" für Avocados

Bereits Ende vergangenen Jahres begann Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka in ausgewählten Supermärkten und Netto-Filialen Avocados zu verkaufen, die mit einer solchen "zweiten Haut" versehen sind. Sie soll den Wasserverlust und das Eindringen von Sauerstoff verlangsamen. Beides sind Hauptursachen für den schnellen Verderb der Früchte. Dank der Beschichtung sollen die empfindlichen Früchte zwei- bis dreimal so lange frisch bleiben wie ohne den Schutzüberzug.

Der vom US-Konzern Apeel Sciences entwickelte Schutzmantel besteht laut Hersteller aus rein pflanzlichen Materialien, die in Schalen, Samen und im Fruchtfleisch verschiedener Obst- und Gemüsesorten vorkommen. Er sei geschmacks- und geruchlos und problemlos essbar.

Der Edeka-Kaufmann Falk Paschmann verkauft die behandelten Avocados bereits seit einigen Wochen in seinem Supermarkt in Düsseldorf-Bilk und schwärmt: "Das ist eine Lösung für ein wichtiges Problem unserer Zeit." Sie biete für alle Beteiligten Vorteile: Für die Kunden, weil die Ware auch daheim noch länger frisch bleibe, und für ihn als Händler, weil er deutlich weniger Verluste habe. Wohl auch deshalb treibt Edeka das Projekt zügig weiter voran. In ersten Märkten sind ab sofort auch Orangen und Mandarinen im Angebot, die mit der neuen Technik länger haltbar gemacht wurden, wie der Handelsriese am Montag mitteilte.

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Zucker, Zellulose und pflanzliche Öle

Der Konkurrent Rewe zieht in diesen Tagen nach - mit Avocados, die mit einem ähnlichen System behandelt sind. Der Überzug besteht hier aus natürlichem Zucker, Zellulose und pflanzlichen Ölen und stammt vom britischen Hersteller AgriCoat NatureSeal. Auch er soll essbar und gut verträglich sein. Die Früchte würden in dieser Woche bereits in bis zu 860 Rewe- und Penny-Märkten verkauft, kündigte das Unternehmen an. "Wir hoffen sehr, dass uns unsere Kunden in unserem Kampf gegen Lebensmittelverschwendung durch ihre Kaufentscheidung unterstützen", betonte der Rewe-Manager Eugenio Guidoccio.

Jährlich landen nach einer aktuellen Studie des Bundesforschungsinstituts für ländliche Räume, Wald und Fischerei (Thünen-Institut) über 12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Der Großteil der Abfälle - 7 Millionen Tonnen - entsteht in Privathaushalten. Jeder Bundesbürger werfe im Durchschnitt etwa 85 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg, schätzen die Wissenschaftler.

Und die Bemühungen um Plastikvermeidung haben das Problem eher noch verschärft. Nach Informationen der Lebensmittel Zeitung hat etwa der Verzicht auf Kunststofffolien bei Salatgurken dazu geführt, dass im vergangenen Herbst deutlich mehr spanische Gurken vernichtet werden mussten, weil sie den langen Transportweg nicht unbeschadet überstanden hatten. "Gurken für die Tonne", titelte das Fachblatt.

Hüllen-Tüftelei

Bisher werden die neuen Beschichtungsverfahren in Deutschland nur bei Früchten eingesetzt, deren Schale nicht verzehrt wird. Doch auf Dauer könnte der Überzug auch bei anderen Produkten üblich werden. Das US-Unternehmen Apeel, mit dem Edeka zusammenarbeitet, hat nach eigenen Angaben Rezepturen für 30 verschiedene Obst- und Gemüsesorten entwickelt, darunter Erdbeeren, Tomaten, Äpfel und Paprika. Es bereitet laut Edeka bereits einen Zulassungsantrag bei der Europäischen Kommission vor.

Der Edeka-Händler Paschmann kann sich gut vorstellen, dass sich die neue Technologie in Zukunft auch bei Früchten durchsetzt, deren Schale man mitisst. "Wie oft passiert es heute, dass man Erdbeeren kauft, ein paar davon isst und dann am nächsten Tag die Hälfte wegwirft, weil sie vergammelt sind. Das wäre dann nicht mehr der Fall."

Für den Händler ist allerdings auch klar, dass vorher noch einige Überzeugungsarbeit nötig sein wird. Auf keinen Fall dürfe man die neue Methode heimlich anwenden oder dem Kunden aufzwingen, betont er. Doch hofft Paschmann, dass die Vorteile die Verbraucher letztlich überzeugen. Denn das könne nach seiner Überzeugung dazu führen, "dass auf allen Stufen weniger Lebensmittelverschwendung stattfindet".

Auch Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg begrüßt grundsätzlich den Vorstoß der Supermarktketten. Doch könne dies nur ein Element sein im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung. Hier müsse der Handel an vielen Schrauben drehen. "Es wird noch immer zu viel weggeworfen. Da ist der Handel gefragt - mit allem was geht, nicht nur mit einer Methode", meint der Lebensmittel-Experte.