Leben

Lustspiel

Was für ein Leben! Ihr Großvater Louis Seigner war Doyen der Comédie-Française, ihr Vater Fotograf, die Mutter Journalistin, und sie ist seit einem Vierteljahrhundert mit Roman Polanski verheiratet. Darüber vergisst man fast, dass Emmanuelle Seigner eine großartige Akteurin ist.

Kino-Querdenker Jean-Luc Godard stand am Anfang ihrer Filmkarriere, bald danach machte sie Ehemann Polanski zum Star. Mittlerweile posierte sie zum fünften Mal als sein Objekt der Begierde. Und wie! In „Venus im Pelz“ mutiert die Schauspielerin von 0 auf 100 vom durchgeknallten Freak zur betörenden Femme fatale und zu einem resoluten Rache-Engel. Eine Show, die im Kino ihresgleichen sucht. Denn „Venus im Pelz“ bedeutet zugleich beinahe 100 Minuten Emmanuelle Seigner solo. Mit Mathieu Amalric wirkt an diesem aufregenden Kinovergnügen lediglich ein einziger weiterer Darsteller mit. Dass dieser dem jungen Roman Polanski wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelt, verleiht dieser Filmadaption eines Broadway-Erfolgs einen zusätzlichen Kick.

Was heißt. In diesem, frei nach der 1870 publizierten Novelle des altösterreichischen Schriftstellers Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895) inszenierten Film spiegelt sich fast die ganze dramatische wie auch tragische Lebensgeschichte des Regisseurs wider. „Es ist unglaublich, wie viel ,Venus im Pelz’ mit seinen früheren Filmen gemeinsam hat“, meint auch Emmanuelle Seigner. „Während der Dreharbeiten musste ich ständig daran denken: Da war dieses Kostüm aus ,Tess’, das Messer aus ,Rosemaries Baby’, die Verkleidung wie in ,Wenn Katelbach kommt’ und dass er sich wie eine Frau kleidet, wie in ,Der Mieter’ – es gab so viele erstaunliche kleine Anklänge.“

Die frappierende Ähnlichkeit des Regisseurs mit Emmanuelle Seigners Gegenspieler ist für die Schauspielerin, die nebenbei auch Chansons mit Punk-Legende Iggy Pop aufgenommen hat, nicht Neues. Vor sechs Jahren stand sie mit Mathieu Amalric für das Drama „Schmetterling und Taucherglocke“ vor der Kamera. Und damals war es Regisseur Julian Schnabel, den die Gemeinsamkeiten von Amalric und Polanski faszinierten.

In der Filmografie von Emmanuelle Seigner wimmelt es nur so von blanken Busen, transparenten Blusen und ledernen Minis. Genauso offenherzig zeigt sich Madame Polanski auch in der Rolle der scheinbar glücklosen Schauspielerin Vanda in „Venus im Pelz“. Wer meint, damit habe sie die Rolle ihres Lebens gefunden, liegt nicht völlig falsch, selbst wenn der Film das Sadomaso-Wechselbad ironisiert. Die Welt von Sacher-Masoch spricht Emmanuelle Seigner jedenfalls nicht an. „Nein, das ist etwas, das mir sehr fremd ist“, sagt sie und gesteht freimütig: „Ich habe nicht einmal versucht, sein Buch zu lesen.“

Vom Freak zur Femme fatale und zum Engel, welche der Figuren lag ihr am nächsten? „Ich habe von ihnen allen etwas in mir. Am liebsten habe ich den Vamp verkörpert. Diese Seite von mir spiele ich gern aus, wenn ich mit meinen Freundinnen zusammen bin. Aber natürlich nur zum Spaß.“ Ganz im Ernst, Emmanuelle Seigner macht das gut, sehr gut sogar.

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Die totale Tragödie, ein Horrortrip oder ein Leben in Lust und Laster. Roman Polanskis Vita ist alles zusammen. „Er hat die Schuld anderer Menschen ertragen müssen und Roman Polanski hat sich auch selbst schuldig gemacht“, hieß es jüngst beinahe biblisch in der „Süddeutschen“. Bei dem am 18. August 1933 in Paris geborenen polnischen Filmemacher, Drehbuchautor und Schauspieler lässt sich in einem Satz ein Bogen von Auschwitz über die Manson-Morde bis hin zum gefeierten und geächteten Holly- wood-Star spannen. „Rosemaries Baby“ (1968) ist einer seiner bekanntesten, die nun bei der Viennale gezeigte Jackie-Stewart-Doku „Weekend of a Champion“ (1972) sein unbekanntester Film. Drei Jahre nach „Chinatown“ verbringt er im Haus von Jack Nicholson einen Nachmittag mit einer Minderjährigen. Die Folge: 1977 steht der Vorwurf der Vergewaltigung im Raum, der ihm eine Haftstrafe einbringt, deren längerer Dauer er sich durch eine Flucht aus den USA entzieht. Mehr als drei Jahrzehnte danach bringen ihm die Geister der Vergangenheit einen Hausarrest mit Fußfesseln in der Schweiz ein. Umso erstaunlicher, wie leicht ihm „Venus im Pelz“ von der Hand gegangen ist. Polanski: „Seit meinem ersten Film – ,Messer im Wasser’ (1962) – in dem es nur drei Figuren gab, sagte ich mir: ,Eines Tages mache ich einen Film mit nur zwei Figuren!’ Eine echte Herausforderung, aber ich brauche eine Schwierigkeit, die ich überwinden muss, sonst langweile ich mich.“ 1 chinatown (1974) Ließ Jack Nicholson und Faye Dunaway nicht unberührt2 Frantic (1988) In die spätereMs. Polanski verliebte sich Roman noch am Filmset 3 Ekel (1965) Ein Klassiker für Angsthasen: Horror mit Catherine Deneuve 4 Der Pianist (2002) Mit Adrien Brody brachte er seine Kindheit ins Kino 5 Der Ghostwriter (2010) Sylt musste für Martha’s Vineyard herhalten: Politthriller mit Pierce Brosnan 6 Gott des gemetzels (2011) Mit frischgebackenem Oscar-Preisträger Christoph Waltz 7 Piraten (1986) Floppte, weil Walter Matthau auch vor 25 Jahren kein Johnny Depp war 8 Tanz der Vampire (1967) Zum Weinen: Der erste und letzte Film von Sharon Tate und Roman Polanski 9 Tess (1979) Schön wie seine Hauptdarstellerin Nastassja Kinski