Kurz hält Macrons EU-Pläne für "realitätsfremd"
Wie geht es mit der Europäischen Union weiter? Da haben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz doch recht unterschiedliche Ansichten.
In einem vielbeachteten Gastbeitrag in zahlreichen europäischen Tageszeitungen hatte Macron in der vergangenen Woche eine "Reform der EU" gefordert. Nun reagierte Kurz in einem Interview mit dem Deutschlandfunk und machte deutlich, dass er von vielen Vorschlägen Macrons recht wenig hält. Diese Ansicht teilt er mit der CDU-Vorsitzenden Annegret Kamp-Karrenbauer.
Es sei "grundsätzlich positiv, dass es eine Debatte zur Zukunft der Europäischen Union gibt", so Kurz. Und in einigen Bereichen - engere Partnerschaft mit Afrika, Besteuerung von Internetkonzernen - könne er den Vorschlägen Macrons durchaus etwas abgewinnen. Andere Vorschläge des französischen Präsidenten seien aber "utopisch", etwa zum Ausbau der europäischen Sozialunion. Seine Ansichten diesbezüglich seien "in weiten Teilen deckungsgleich" mit jenen Kramp-Karrenbauers.
Als Beispiel nannte Kurz den Vorschlag eines europaweiten Mindestlohns: Mit Blick auf die unterschiedlichen Sozialstandards sei das "sehr realitätsfern", "denn entweder wir müssten unsere Standards deutlich reduzieren oder wir müssten Unsummen in die Hand nehmen, um dieselben Standards anderswo zu finanzieren".
Viele Länder würden von niedrigen Löhnen profitieren, denn dadurch würden sich Unternehmen ansiedeln. Kurz: "Glauben Sie, die deutsche Autoindustrie würde in Ungarn oder in Polen Produktionsstätten eröffnen, wenn die Löhne eins zu eins so wären wie in Deutschland?" Macron hatte allerdings keinen europaweit einheitlichen Mindestlohn gefordert, sondern einen "an jedes Land angepassten".
Auch in Sachen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vertritt Kurz eine andere Linie als Macron. "Als neutrales Land und Nicht-NATO-Mitglied sehen wir auch Pläne für eine EU-weite Beistandsklausel oder eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf das NATO-Ziel von zwei Prozent kritisch", sagte der Kanzler am Dienstag zur APA. "Positiv" sehe er hingegen einen gemeinsamen EU-Sitz im UNO-Sicherheitsrat.