Zukunftsmodell „grünes Regal“
Es hat schon ein bisschen Symbolcharakter, wenn ein Bauprojekt mit einer Baumpflanzung beginnt. So geschehen im vergangenen November in Issy-les-Moulineaux südwestlich von Paris. Ebenda wurde feierlich der erste von insgesamt 390 Bäumen gesetzt, die einen innovativen Mixed-Use Komplex zur grünen Oase machen sollen: Den vom niederländischen Top-Büro MVRDV entworfenen Neubau namens „La Serre“, dessen Design an ein schlichtes, offenes Regal erinnert. 2026 soll das ungewöhnliche Vorhaben fertig werden – und ein Beispiel für zukunftsorientiertes, angenehmes Stadtleben bieten.
Urbanes Wohnen, neu gedacht
Der Bauplatz von „La Serre“ im nur rund sieben Kilometer vom Zentrum der Hauptstadt entfernten Issy-les-Moulineaux liegt im Herzen des Öko-Viertels ZAC Léon Blum. Und das 18-stöckige Regal mit seinen Grünflächen, Wohnungen und Geschäften ist das Ergebnis einer Kooperation von MVRDV, der Landschaftsarchitektin Alice Tricon und dem Bauträger OGIC. Erklärtes Ziel der Planer ist es, eine biodiverse Oase zu schaffen, die traditionelle Wohnmodelle in Frage stellt.
Der gemischt genutzte Komplex beherbergt 190 Wohnungen, wobei 30 Prozent davon für sozialen Wohnungsbau vorgesehen sind. Und egal, ob es sich um ein Studio oder eine der bis zu vier Zimmer großen Einheiten handelt: Alle öffnen sich zu privaten Balkonen oder Terrassen. Zusammen mit den gemeinsam genutzten Gärten und Flächen hüllen sie das Gebäude in einen üppigen grünen Mantel, so dass insgesamt fast 3.000 Quadratmeter Außenfläche entstehen.
Mit La Serre bringen wir Natur ins Herz der Stadt. Diese grüne, vertikale Gemeinschaft beherbergt dank ihrer belebten Fassade ein wahrhaft soziales und ökologisches Ökosystem.
Der architektonisch und landschaftlich außergewöhnliche Neubau „La Serre“ ist als vertikales Dorf konzipiert. Das Design integriert die Natur vollständig in einen kompakten urbanen Raum. Die über den im Erdgeschoss befindlichen Einzelhandelsflächen gestapelten Wohneinheiten erstrecken sich in alle Richtungen. Dadurch entsteht ein dreidimensionales Mosaik in einem offenen Stahlgerüst. Also eben besagtes „Regal“, das den Look der neuen Anlage prägt.
Wie ein „Dorfplatz“ in der Stadt
„Das Projekt stellt die Natur in den Vordergrund, während sich das Gebäude im Hintergrund hält. Diese urbane Oase ist nicht nur ein Wohngebiet, sondern ein echter Dorfplatz“, lobt Issy-les-Moulineaux‘ Bürgermeister André Santini. Die lebendige, offene Fassade von „La Serre“ spielt dabei eine gewichtige Rolle. Sie fördert nämlich nicht nur die biologische Vielfalt der Umgebung, sondern auch verbindende Kommunikation zwischen den Bewohnern – und damit soziale Nachhaltigkeit.
Fürs Design des vertikalen Gartens zeichnet Landschaftsarchitektin Alice Tricon verantwortlich. Die Expertin hat für „La Serre“ ein Bouquet aus 150 verschiedenen Pflanzenarten zusammengestellt. 70 Prozent davon sind einheimische Gewächse. Und alle wurden sorgfältig unter Berücksichtigung ihrer Höhe am Gebäude und ihrer Sonnen- und Wind-Exposition ausgewählt.
La Serre zeigt, wie das Biologische und das Soziale gleichzeitig in der Architektur gefördert werden können.
Beim Bau des neuen Komplexes setzt das MVRDV Architektenteam auf kohlenstoffarme Materialien. Im Zeichen nachhaltigen Umgangs mit Ressourcen wird „La Serre“ ans städtische Heizungsnetz angeschlossen und mit einem System zum Abwasser-Recycling ausgestattet. Und weil auch Schutz und Unterstützung der urbanen Fauna im Fokus stehen, werden in Zusammenarbeit mit Ökologen Nistkästen für lokale Vogelarten und Fledermäuse am Gebäude angebracht.
Jedem sein Platz an der Sonne
Um den Bewohnern von „La Serre“ möglichst viel Freiraum und Lebensqualität zu bieten, sind 25 Prozent der bewohnten Fläche des Gebäudes ganz Terrassen und Balkonen gewidmet: Der Plan verspricht durchschnittlich 15 Quadratmeter Außenfläche pro Bewohner.
Weil sich bekanntlich nicht jeder gern und gekonnt um Pflanzen kümmert, wird bei „La Serre“ anders für die langfristige Pflege allen Grüns der Anlage gesorgt: Ein Profi-Gärtner, der sowohl die Gemeinschaftsbereiche, als auch die privaten Balkone diesbezüglich fachgerecht betreut, wird die Instandhaltung sichern.
„La Serre“ schafft Gemeinschaft
An Möglichkeiten für Kommunikation und angenehme Zusammenkünfte wird es in der urbanen Grün-Oase nicht fehlen: Treppen und Stege verbinden alle gemeinschaftlich genützten Räume. Durchgehend, von der Haupthalle im Erdgeschoss bis zum Stadtfenster im Herzen des Gebäudes und dem Gemeinschaftsgarten auf dem Dach, der mit Panoramablick über die Stadt zum Verweilen lädt.
Der kollektive Pfad durch die Anlage fördert die aktive Nutzung des Gartens und verwandelt die grüne Fassade von „La Serre“ in eine vertikale Promenade. Eine architektonische Finesse, die dazu beiträgt, dass die Bewohner rascher und leichter zu einem Gefühl behaglicher Gemeinschaft finden.
Wir hoffen, ähnliche innovative und nachhaltige hybride Typologien zu inspirieren – sowohl in der Pariser Region als auch auf der ganzen Welt.
Das genannte Gemeinschaftsgefühl ist – ebenso wie markante Grün-Fassaden und „gestapelte“ Gebäude – Teil einer Strategie, die MVRDV gern verfolgt, um besonders menschen- und umweltfreundliche Bauten zu konzipieren. Andere spannende Projekte, wie etwa MVRDVs „Green Villa“ in den Niederlanden, die „Shenzhen Terrassen“ oder „Nachteiland“ in Amsterdam machen’s deutlich.
Sozial & umweltfreundlich
MVRDV Gründungspartner Winy Maas beschreibt: „Mit La Serre bringen wir Natur ins Herz der Stadt. Diese grüne, vertikale Gemeinschaft beherbergt dank ihrer belebten Fassade ein wahrhaft soziales und ökologisches Ökosystem.“
Der Komplex demonstriere, so der Architekt, „wie das Biologische und das Soziale zugleich in der Architektur gefördert werden können“. Vielversprechend neuen, zukunftsorientierten städtischen Lebensraum schafft das Projekt in Issy-les-Moulineaux auf jeden Fall.
Und mit seinem Fokus aufs Wohlbefinden von Mensch und Natur steht „La Serre“ für ein Ziel, dem sich das Büro MVRDV verschrieben hat, wie Maas formuliert: „Wir hoffen, ähnliche innovative und nachhaltige hybride Typologien zu inspirieren – sowohl in der Pariser Region als auch auf der ganzen Welt.“
Text: Elisabeth Schneyder Bilder: Engram, MVRDV, OGIC
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