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Eine Kathedrale der Mobilität

Es ist nun bald schon zehn Jahre her, dass mit dem Bau begonnen wurde. Und ausgeschrieben wurde gar schon 2004. Den neuen Hauptbahnhof für Mons hat auch nicht irgendwer entworfen - sondern niemand geringerer als der spanisch-schweizerische Architekt, Bauingenieur und Künstler Santiago Calatrava Valls hat damals die Pläne für den neuen Verkehrsknotenpunkt der Hauptstadt der wallonischen Provinz Hennegau in Belgien vorgelegt.

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Multimodaler Bahnhof Mons

Der multimodale Bahnhof Mons von Spaniens Top-Architekt nimmt zwar kontinuierlich Gestalt an. Jedoch ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Verzögerungen gekommen: Das eine oder andere beteiligte Bauunternehmen sah sich mit der Insolvenz konfrontiert. Aber nächstes Jahr, also 2021, sollen die Arbeiten definitiv abgeschlossen sein.

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Das ist ärgerlich für die Pendler einerseits und für die Stadtverwaltung andererseits. Denn mit dem Bahnhof Mons sind zwei weitere Baustellen verknüpft, die Entwicklung des Place Léopold und die Entwicklung des Place des Congrès neben dem Palais des Congrès, dem Kongresspalast. Diese Arbeit und die Verfahren für die Auftragsvergabe können erst beginnen, wenn das Gröbste rund um den Bahnhof erledigt worden ist.

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Enger Zeitplan

Das Problem dabei: Die Stadt Mons hat nicht ewig Zeit dafür. Sie hat sich laut belgischen Medien 12 Millionen Euro an EU-Mitteln aus dem EU-Strukturfonds Europäischer Fonds für Regionalentwicklung EFRE gesichert, um die beiden Plätze zu renovieren, inklusive Kanalisationssystem, Beleuchtung und neuem Bürgersteig. Die Mittel können bis 31. Dezember 2023 abgerufen werden, dann läuft die Frist ab.

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Wer in Mons noch Humor hat witzelt, dass die Europäische Kulturhauptstadt 2015 mit ihren rund 100.000 Einwohnern das architektonische Chaos selbst zur Kunstform erhoben hat. Dabei hat unweit der Schienen ein weiterer architektonischer Weltstar, Daniel Libeskind, die Kleinstadt südwestlich von Brüssel mitgestaltet. Dort wurde sein raumschiffartiges Kongress-Zentrum mitten in Brachland gebettet.

Skulpturales Tragwerk

Aber zurück zum Thema. Der Entwurf und die entstehende kathedralenartige Stahlkonstruktion machen Calatravas Ruf alle Ehre. Ist der dank seiner ingenieurtechnischen Kenntnisse auf die Konstruktion von Brücken und Bahnhöfen spezialisierte Calatrava doch bekannt für die futuristisch wirkende Um- und Neugestaltung von Infrastrukturbauten.

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Viele seiner Objekte stechen durch die skulpturale Wirkung des Tragwerks hervor. Calatrava zieht immer wieder Parallelen zu natürlichen Bio-Strukturen wie Blattwerk, Skelette oder Flügel.

Beispiele gefällig: Bahnhof Zürich Stadelhofen (1990), Bahnhof Lyon-Saint-Exupéry TGV (1994), der Bahnhof Liège-Guillemins (2009). Und last but not least der Umsteigebahnhof am Ground Zero in New York, die Port Authority Trans-Hudson Station (PATH) – eine etwa zur Hälfte oberirdisch geführte U-Bahn, die teilweise den Charakter einer S-Bahn hat (2016). Ebenfalls am Ground Zero gewann Calatrava den Wettbewerb für den Nachfolgebau der zerstörten griechisch-orthodoxen St. Nicholas Kirche.

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Verbindung zweier Stadtteile

Die Galerie des neuen Bahnhofs in Mons, die die Gleise und Bahnsteige überbrückt, wird zwei bis dato voneinander getrennte Bereiche der Stadt miteinander verbinden: das weniger dichte Wohngebiet im Norden mit dem historischen Kern im Süden.

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Am bereits erwähnten Place Léopold sind am Südeingang des Bahnhofs der Busbahnhof und etwa 500 Tiefgaragenplätze vorgesehen. Nördlich des Bahnhofs enstehen an der Place des Congrès ein unterirdisches Gebäude mit Technik-Räumen und rund 350 weiteren Stellplätzen. „Nach der Fertigstellung wird der Bahnhof Mons die Synergie zwischen Kultur und Spitzentechnologie für die Stadt symbolisieren”, so das Architekturbüro Calatrava.

Bautechnische Herausforderung

Jedenfalls verlangt der Bau in der Umsetzung einiges ab. Eine Tausende Tonnen schwere Stahlkonstruktion wurde über die durchgehend genutzten Schienentrassen geschoben. Sie bildet die Halle des neuen Hauptbahnhofs. Diese Verbindungsbrücke soll künftig auch als Shopping Mall fungieren.

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Die Halle wurde Stützjoch für Stützjoch neben dem bisherigen Bahnhof zusammengesetzt. Am Ende des langgestreckten Innenraum befindet sich ein nach unten offenes Satteldach. Der neue Bahnhof wird dann an der Stelle des alten stehen. An den beiden Stirnseiten schließen große Freitreppen den Bau ab. Darüber erstrecken sich zwei jeweils 31 Meter auskragende Baldachine.

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Das Projekt erstreckt sich in Summe über ein Gebiet von etwa zwei Kilometern Länge, präzisiert das lokale, auf die Planung und Ausführung von Eisenbahn- und Architekturprojekten spezialisierte Ingenieurbüro Eurogare S.A., das 1993 von der Belgischen Bahngesellschaft SNCB mitgegründet wurde.

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Das Schienennetz erfuhr eine Neugestaltung beziehungsweise Verringerung der Anzahl der Gleise, die Anschlussgleise wurden außerhalb des Bahnhofs neu gebündelt. Die neue Streckenführung erhöht die Geschwindigkeit bei der Einfahrt in den Bahnhof von 60 auf 120 km/h. Zusätzlich zu den drei reinen Bahnsteigen verfügt der Bahnhof über zwei gemischt genutzte Bahnsteige.

Text: Linda BenköVisualisierungen/Fotos: Calatrava, Eurogare SA, tmrw.se, Hufton+Crow, Tribeca Citizen

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