"Für 2025 bin ich vorsichtig optimistisch"
Die Finanzmärkte stehen vor einem Jahr voller Herausforderungen und Chancen. Zinssenkungen, geopolitische Konflikte und der anhaltende KI-Boom werden die Börsen 2025 prägen. Monika Rosen, Börsenexpertin und Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft erklärt, worauf Anleger 2025 achten sollten, welchen Einfluss die US-Wahl auf die Kapitalmärkte haben wird und ob der Tech-Boom auch 2025 anhalten wird.
Welche Entwicklungen sind für die globalen Aktienmärkte im Jahr 2025 zu erwarten, insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftlichen Trends in Europa, den USA und China?
Monika Rosen: Ein zentrales Thema werden die Zinssenkungen in den USA und Europa sein, da sich die Konjunktur abkühlt und die Inflation in Europa um die Zwei-Prozent-Marke einpendelt. Am US-Aktienmarkt bleibt die Dominanz der Tech-Werte, der „Magnificent Seven“, spannend. Es ist unklar, ob sie ihre Vormachtstellung halten oder ob der Rest des Marktes aufholt, was mehr Schwankungen bedeuten könnte. In Europa ist eine nachhaltige Outperformance gegenüber den USA schwierig; ich sehe die USA weiterhin in Führung. In Asien bleibt China ein Thema. Trotz jüngster Stimulierungspakete und einer Erholung der Aktienmärkte bleiben viele skeptisch. Erste Stimmen sprechen jedoch dafür, dass es nun Potenzial gibt, auf China zu setzen. Allerdings wird das Wachstumsziel von fünf Prozent vermutlich verfehlt, und die OECD erwartet für nächstes Jahr 4,5 Prozent Wachstum – die Bäume wachsen also auch in China nicht in den Himmel.
Wie groß ist das Konfliktpotenzial in China, insbesondere im Hinblick auf Taiwan, und welche Auswirkungen hat das auf Unternehmen?
Das Thema Taiwan birgt durchaus Risiken, vor allem geopolitisch. Der Ukrainekrieg hat die Besorgnis verstärkt, aber der Konsens ist, dass der Konflikt nicht eskalieren wird. Dennoch spüren Unternehmen die Unsicherheiten, was sich in rückläufigen Direktinvestitionen zeigt. Die „China plus One“-Strategie gewinnt an Bedeutung, da Unternehmen versuchen, sich breiter aufzustellen und Abhängigkeiten zu reduzieren, gerade im Chip-Sektor, der stark auf Taiwan fokussiert ist.
Welche Rolle spielt der Konflikt im Mittleren Osten?
Es gab kürzlich eine Eskalation, doch der Ölpreis hat bisher kaum reagiert, da die Förderstätten nicht betroffen sind. Sollte Israel jedoch im Rahmen eines Gegenschlags iranische Anlagen angreifen, würde das den Ölpreis deutlich beeinflussen. Besonders die mögliche Schließung der Straße von Hormus könnte kurzfristig den Preis um mindestens 30 US-Dollar nach oben treiben, was nicht nur den Westen, sondern auch China betreffen würde.
Wie können mögliche Zinssenkungen der FED und der EZB die Märkte beeinflussen?
In Europa sind wir bei den Zinssenkungen tatsächlich schneller als in den USA. Die EZB hat in diesem Jahr bereits drei Mal gesenkt, zuletzt am 17. Oktober 2024, und der Hauptleitzins liegt jetzt bei 3,25 Prozent. In den USA hingegen hat die Fed im September die erste größere Zinssenkung vorgenommen. Für beide Zentralbanken werden weitere Senkungen erwartet, abhängig vom Inflationsverlauf. Die Fed könnte nächstes Jahr um 100 Basispunkte senken, während in Europa noch eine Zinssenkung im Dezember und vier weitere im nächsten Jahr von manchen Marktteilnehmern erwartet werden.
Am US-Aktienmarkt bleibt die Dominanz der Tech-Werte spannend. Es ist unklar, ob sie ihre Vormachtstellung halten werden.
Die USA haben am 5. November gewählt. Welche Auswirkungen erwarten Sie auf die Kapitalmärkte?
Die schnelle und eindeutige Entscheidung für Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl führte zu einer starken Marktreaktion. Aktien legten deutlich zu, besonders im Bereich der Nebenwerte. Das liegt an Trumps Fokus auf die heimische Wirtschaft, von dem kleinere Unternehmen profitieren dürften. Generell gilt: Die Märkte reagieren positiv auf schnelle Klarheit, da Stabilität und Planbarkeit für die Börse immer entscheidend sind.
Was macht die Politik von Trump für die Unternehmen so attraktiv?
Trumps Politik wirkt auf Unternehmen besonders attraktiv, da sie auf niedrigere Steuern und weniger Regulierung setzt – Faktoren, die an der Wall Street auf große Zustimmung stoßen. Seine Pläne umfassen Steuersenkungen für alle Einkommensklassen und verzichten auf Unternehmenssteuererhöhungen, was das Wirtschaftswachstum stimuliert. Doch seine wirtschaftlichen Maßnahmen, wie etwa die Einführung von Zöllen, könnten die Inflation anheizen. Das bedeutet, dass im nächsten Jahr wohl weniger Zinssenkungen zu erwarten sind. Die langfristigen Effekte seiner Politik bleiben daher abzuwarten.
Wie nachhaltig wird der Einfluss der US-Wahl auf die Börsen sein?
Die alte Börsenweisheit „Politische Börsen haben kurze Beine“ passt auch hier. Die US-Politik beeinflusst zwar die Wirtschaft, aber der Präsident selbst hat selten nachhaltige Auswirkungen auf die Märkte. Die hohe Staatsverschuldung bleibt unabhängig vom Wahlausgang ein Problem, doch Sparmaßnahmen sind unwahrscheinlich. Trotz schlechter Fundamentaldaten profitieren die USA weiterhin von ihrem großen Anleihenmarkt und dem US-Dollar als Leitwährung. Rick Rieder von BlackRock sieht das Twin Deficit als Risikofaktor für nächstes Jahr. Sollte dies dazu führen, dass die Zinsen weniger stark fallen oder die Renditen steigen, könnten die Märkte darauf reagieren.
Die Technologiebörsen haben letztes Jahr stark performed. Wird diese Dominanz der Magnificent Seven auch 2025 anhalten?
Tech-Aktien machen aktuell etwa 30 Prozent des S&P 500 aus, Communication Services weitere zehn Prozent, wodurch rund 40 Prozent des Index von Tech-Werten dominiert werden. In der Vergangenheit führten solche Konzentrationen oft zu Korrekturen, aber das muss nicht automatisch wieder geschehen. Die aktuelle Lage ist stark von Generativer KI geprägt, mit Investitionen nicht nur von Anlegern, sondern auch von großen Tech-Konzernen wie Microsoft und Amazon. Vor allem Nvidia profitiert bisher. Entscheidend wird sein, ob Nvidia das Wachstum halten kann und wann KI-Apps kommen, die wirklich profitabel sind. Diese Entwicklungen könnten entscheidend für 2025 sein.
Nach dem Rücksetzer im Sommer wird oft die Tech-Blase von 2000 als Vergleich herangezogen, die vor allem Start-ups betraf. Ist dieser Vergleich wirklich gerechtfertigt?
Nein, ein Vergleich zur Tech-Blase 2000 ist nicht zutreffend, da es diesmal um etablierte, profitable und sehr große Unternehmen geht. Besonders im Bereich KI investieren heute nicht die Anleger, sondern andere große Tech
China und die Emerging Markets könnten von den Zinssenkungen in den USA profitieren.
Konzerne. Zwar gab es 2022 einen Personalabbau in der Branche, doch das wurde gut bewältigt. Allerdings sind die Bewertungen, teils mit KGVs über 30, auf die nächsten zwölf Monate schon recht ambitioniert. Es darf also nichts schiefgehen.
Wo sehen Sie abseits von Tech-Werten Chancen?
Eine Rotation in Richtung Versorger- und Energiewerte könnte stattfinden, da diese von den sinkenden Zinsen profitieren und sich seit der Zinswende erholen. Allerdings machen Versorger nur 2,2 Prozent und Energiewerte 3,8 Prozent des S&P 500 aus, sodass sie den Index nicht wesentlich stützen können. Sollten die Tech-Werte, die 40 Prozent des Index ausmachen, schwächeln, wird es für den Gesamtindex schwierig.
Werden nicht auch China und die Emerging Markets von den Zinssenkungen in den USA profitieren?
China und die Emerging Markets könnten von den Zinssenkungen in den USA profitieren, da niedrigere Zinsen häufig Kapitalflüsse in diese Märkte begünstigen. Das könnte zu einer stärkeren Erholung in diesen Regionen führen, insbesondere für Länder wie China, die zuletzt mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen hatten.
Geht die Börse nach unten, steigt Gold – und umgekehrt. Heuer haben aber sowohl Börsen als auch Gold hohe Notierungen erreicht. Woran liegt das?
Gold hat von den Zinsspekulationen in der Eurozone und den USA profitiert. Asiatische Zentralbanken, wie die chinesische und indische, haben wegen der Entdollarisierung massiv Gold gekauft. Geopolitische Krisen, wie in Gaza und der Ukraine, spielen ebenfalls eine Rolle. Zinssenkungen und ein schwächerer US-Dollar haben den Goldpreis weiter gestützt. Einige Experten sehen in den nächsten zwölf Monaten einen möglichen Anstieg des Goldpreises auf bis zu 3.000 Dollar.
Was ist Ihr Ausblick für 2025 und welchen Rat würden Sie Anlegern für 2025 mit auf den Weg geben?
Für das nächste Jahr bin ich vorsichtig optimistisch. Es ist von leicht sinkenden Zinsen und einer etwas schwächeren Konjunktur auszugehen, was dazu führen könnte, dass die Aktienmärkte nicht mehr so stark zulegen wie in diesem Jahr. In diesem Umfeld könnten Anleihen wieder attraktiver werden. Mein Rat an Anleger: Bleiben Sie diszipliniert und verfolgen Sie Ihre langfristige Strategie. Lassen Sie sich nicht von kurzfristigen Schwankungen aus der Ruhe bringen. Mein Wunsch wäre, dass Europa endlich einen stärkeren gemeinsamen Kapitalmarkt entwickelt. Hier gibt es noch viel Nachholbedarf, besonders bei der Finanzbildung und der Wahrnehmung der Börse. Wir sollten uns das amerikanische Erfolgsmodell zum Vorbild nehmen und das Potenzial der Börse offensiver ausschöpfen.