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Teuerung: Alltägliche Dinge wie ein Friseurbesuch werden zu einem sensiblen Lebenswert

Michael Miskarik: Wie haben sich die Krisen der vergangenen Jahre auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Roland Strasser: Die Pandemie hat die Friseurinnen und Friseure vor große Herausforderungen gestellt. Durch die ständigen Lockdowns gab es massive Umsatzeinbußen, die durch die staatlichen Hilfszahlungen nur bedingt ausgeglichen wurden. Zudem erfolgte die Auszahlung der Gelder teilweise mit einer großen zeitlichen Verzögerung. Auch das Verhalten von Kund:innen hat sich in den letzten zwei Jahren merkbar verändert. Die Menschen gehen heute nicht mehr so oft zum Friseur wie vor der Pandemie. Vor allem ältere Menschen schränken die Zahl ihrer Friseurbesuche ein.

Hat die aktuelle Teuerung den Preisdruck auch in Ihrer Branche erhöht?

Ja, der Druck ist leider enorm gestiegen. Durch die höheren Kosten für Miete, Energie und den Wareneinsatz sehen sich viele von uns dazu gezwungen, die Preise für unsere Dienstleistungen erstmals seit Jahren deutlich anzuheben. Aber viele unserer Kund:innen müssen sparen und das sprechen sie auch klar aus. Aus diversen Gesprächen wissen wir, dass viele seltener kommen werden, da sie aus finanziellen Gründen auf zwei bis drei Friseurbesuche im Jahr verzichten müssen.

  • Ausbildung bei Vidal Sassoon in London zum Haarschneidetrainer / Creative Director
  • 10 Jahre Trainer für Haarschnitte bei Wella Professional
  • 11 Jahre Top Akteur für Haarschnitt Schwarzkopf Professional
  • Nationale und internationale Shows für Haarkosmetikfirmen
  • selbstständig seit 16.07.1990
  • Derzeit: Hdesign Roland Strasser, Praterstraße 51, 1020 Wien, Tel. 01/5036976

Ein Friseurbesuch hat für viele Menschen auch einen wichtigen sozialen Aspekt – sie suchen das Gespräch, den persönlichen Austausch. Erleben Sie das in der Praxis auch so?

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Friseur:innen haben für ihre Kund:innen in vielfacher Hinsicht eine wichtige Funktion. Sie sind nicht nur Dienstleister:innen, sondern auch Psycholog:innen, Künstler:innen, Handwerker:innen und vieles mehr. Ich kenne von den meisten meiner Stammkund:innen die ganze Lebensgeschichte. Gerade für ältere Menschen ist diese persönliche Ebene eines Friseurbesuchs besonders wichtig. Allerdings ist es für mich und meine Kolleg:innen im Alltag nicht immer ganz einfach, den nötigen emotionalen Abstand zu wahren. Speziell seit Covid sind wir immer häufiger mit aggressivem Verhalten von Kund:innen konfrontiert. So erleben wir die massiv negative Stimmung gegenüber der aktuellen Politik und den latenten gesellschaftlichen Frust hautnah mit.

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Viele Branchen klagen über fehlende Fachkräfte. Ist der Friseurberuf für junge Menschen heute noch attraktiv?

Das Image der Branche hat in den letzten Jahrzehnten stark gelitten. Der Beruf gilt bei jungen Menschen als wenig attraktiv, schlecht bezahlt und stressig. Außerdem bietet er kaum attraktive Aufstiegsmöglichkeiten. Das Problem ist nicht neu, hat sich mit der Pandemie aber deutlich verschärft. Früher gab es einen klaren Karriereverlauf mit Lehre, Gesellenjahre, Meisterprüfung und einer anschließenden Selbstständigkeit. Heute passiert alles im Schnelldurchlauf. Für eine Selbstständigkeit ist keine Meisterprüfung mehr notwendig, eine Unternehmerprüfung genügt. Die Folgen dieser Liberalisierung sind deutlich sichtbar: Wir erleben in unserer Branche einen massiven Qualitätsverlust, die Preise sind durch die billigeren Barbershops am Boden. Als klassischer Meisterbetrieb stehen wir für höchste Qualität und eine erstklassige Dienstleistung, aber die Menschen, die diesen Service bezahlen können, werden rar.

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik frei hätten, welcher wäre das??

Es ist Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass der Besuch beim Friseur auch in Zukunft für alle leistbar bleibt! Würden die Friseure den aktuellen Kostenanstieg an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben, wäre ein regelmäßiger Friseurbesuch für viele – vor allem ältere – Menschen nicht mehr möglich. Ein wichtiges politisches Signal an die Mitarbeitenden und eine sichtbare Wertschätzung für unseren Berufsstand wäre eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Friseurdienstleistungen von 20 auf 10 Prozent. In Kombination mit einer Senkung der Lohnnebenkosten und attraktiven Angeboten für Selbstständige, wenn diese freiwillig länger arbeiten wollen, könnte das Überleben unserer Branche und damit auch eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden. Persönlich würde mich auch eine Wiedereinführung der Meisterprüfung als Grundlage für eine selbstständige Tätigkeit freuen.

Vielen Dank für das offene Gespräch!