Chronik/Wien

Patientenanwältin fordert mehr Wahlhebammen in Wien

Fast zwölf Stunden hat sich die kleine Mina Zeit gelassen, bis sie vergangene Woche in der Wiener Semmelweis-Klinik das Licht der Welt erblickt hat. „Das war nicht gerade einfach“, erzählt ihre Mutter Inna Mironovskaja.

Doch mit ihrer Wahlhebamme Barbara Mrazky hatte sie jemand an ihrer Seite, der ihr half, die schwierige Geburt leichter zu überstehen. „Man fühlt sich einfach geborgen, wenn man ins Spital kommt und da ist schon jemand, den man kennt. Schließlich ist man in dieser Situation sehr verletzlich. Gerade, wenn es sich um die erste Geburt handelt.“

Medizinische Vorteile

Wahlhebammen sind in der Regel frei praktizierende Geburtshelferinnen, die die werdenden Mütter bereits Monate vor der Geburt persönlich betreuen, die bei der Entbindung im Spital dabei sind und den Frauen auch die Wochen danach zur Seite stehen.

In der Regel müssen die Frauen dafür rund 1000 Euro bezahlen. Dem gegenüber steht aber nicht nur das höhere subjektive Wohlbefinden der Frauen, sondern auch eine Reihe medizinischer Benefits, die langfristig Kosten sparen helfen.

Das zeigt eine Untersuchung an der Semmelweis-Klinik im Auftrag des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV). Allen voran sind die Kaiserschnitt-Raten deutlich niedriger (13 statt 18 Prozent) als bei herkömmlichen Geburten.

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Spital ist bei Wahlhebammen-Geburten mit 66 Stunden um fast 50 Prozent niedriger. Auch Wehenmittel müssen deutlich seltener eingesetzt werden.

Das ist nicht die erste Studie dieser Art. Dennoch ist das Wahlhebammen-Angebot in Wien überschaubar. Derzeit gibt es – abgesehen von privaten Spitälern – nur in der Semmelweis-Klinik die Möglichkeit für Wahlhebammen-Geburten. Und auch dort steht gerade einmal ein Pool von zehn derartigen Geburtshelferinnen zur Verfügung. Nur 2,7 Prozent der Entbindungen erfolgten 2011 mit ihrer Beteiligung.

Mehr Kaiserschnitte

Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz fordert nun vom KAV, die aktuellen Daten nicht in der Schublade verschwinden zu lassen, sondern das Wahlhebammen-Angebot in den städtischen Spitälern auszubauen.

Das soll einem medizinisch bedenklichen Trend entgegenwirken: „In Wien gibt es einen massiven Anstieg der Kaiserschnitt-Rate. Im AKH etwa sind es schon 50 Prozent.“ Zuwächse gebe es aber auch in Kliniken, die eher Schwangere mit geringem Risiko versorgen.

Im KAV sieht man hingegen keinen akuten Handlungsbedarf. „Natürlich werden wir den Bericht berücksichtigen“, betont eine Sprecherin. An einen Ausbau sei derzeit aber nicht gedacht: „Mit dem derzeitigen Angebot finden wir das Auslangen. Wir können damit die Nachfrage gut abdecken.“ Das Wahlhebammen-Programm in Wien werde jedenfalls mit der Semmelweis-Klinik in das neue Krankenhaus Nord übersiedeln.

Jungmutter Inna Mironovskaja hat ihre Wahl jedenfalls schon getroffen: „Eigentlich wollte ich ja immer nur ein Kind. Doch sollte sich das ändern, wird sicher wieder Barbara dabei sein.“