Chronik/Wien

Wirte fürchten frühe Sperrstunde

Helle Empörung herrscht derzeit in der Wiener Gastronomie: Nach jahrelangen Beschwerden eines Anrainers hat jetzt das Verwaltungsgericht Wien entschieden, dass die Diskothek Bettelalm beim Lugeck statt wie bisher um 6 Uhr Früh bereits um Mitternacht schließen muss (der KURIER berichtete). Das Lokal steht jetzt vor dem Aus, befürchtet Geschäftsführer Mario Obermaier. Denn naturgemäß kommt der Großteil seiner Kundschaft erst nach Mitternacht.

"Die ganze Branche ist jetzt in Aufruhr", sagt Peter Dobcak, Gastronomie-Obmann in der Wirtschaftskammer. Denn es sei zu befürchten, dass ein ähnliches Schicksal jetzt auch anderen Innenstadt-Lokalen droht: "Die Bombe wird 2018 explodieren, wenn das Rauchverbot in Kraft tritt." Dann werden sich noch mehr Menschen vor den Lokalen aufhalten – und damit auch die Beschwerden über Lärmbelästigung deutlich zunehmen.

Er übt scharfe Kritik am Verwaltungsgericht: "Die Richter müssen sich überlegen, was sie anrichten, wenn auf einen einzelnen Anrainer derart Rücksicht genommen wird."

Dobcak hat bereits das Wirtschaftsministerium kontaktiert, um eine Gesetzesänderung im Sinne der Gastronomen anzuregen. Konkret soll nicht mehr der Wirt für den Lärm vor seinem Lokal haftbar gemacht werden.

Von einem Skandal spricht auch Hans Figlmüller, der gleich in der Nachbarschaft das Lokal "Lugeck" betreibt. Auch er hatte schon Konflikte mit dem Anrainer auszufechten, oft sei er laut eigenen Angaben 30 Mal an 30 Tagen angezeigt worden. "Offenbar wird aber dem zugehört, der am lautesten schreit", sagt der bekannte Gastronom.

Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) will sich zum Gerichtsurteil in der Causa Bettelalm nicht äußern: "Mein Ziel ist ein Ausgleich der unterschiedlichen Interessen für eine bewohnte Innere Stadt. In erster Linie sind wir daher die Vertreter der Bewohner. Schließlich soll die Innere Stadt ein attraktiver Ort zum Wohnen sein. Die City darf kein Disneyland werden." Die Touristen würden schließlich weniger wegen der Gastronomie, sondern wegen der Sehenswürdigkeiten in die Innenstadt kommen.

Bewohner versus Wirtschaft

Figlmüller kritisiert wiederum, dass die Politik zwar die Anrainer, zu wenig aber die Wirtschaftstreibenden unterstütze. "Was immer wieder vergessen wird: Im 1. Bezirk leben nur mehr rund 15.000 Menschen. Es gibt aber rund 110.000, die hier arbeiten. Hinzu kommen noch die Touristen." Ähnlich sieht das Starkoch Reinhard Gerer: "Die Gastronomie ist eine Belebung für die Innenstadt. Was hier jetzt passiert, ist auch eine Gefahr für den Tourismus."

Unterstützung erhalten die empörten Wirte auch von Alexander Biach, stellvertretender Direktor der Wiener Wirtschaftskammer: "Das Beispiel Bettelalm zeigt, wie wichtig Rechtssicherheit ist. Mutige Unternehmer kommen nur nach Wien, wenn diese gegeben ist."

Für die Beschwerden des Anrainers hat Biach nur wenig Verständnis: "Das ist, wie wenn ich mir neben der Autobahn ein Haus kaufe, und mich dann wegen des Lärms beschwere."