Wiener Märkte: Ärger über die "Notbremse"
Von Johanna Kreid
"Nur durch den Verkauf der Produkte überleben? Da hat man doch keine Chance", sagt Johanna Haidacher. Sie betreibt das "Zimmer 37" am Karmelitermarkt in Wien-Leopoldstadt. Hier gibt es, was der moderne Stadtbewohner begehrt: Bio-Säfte, regionales Gemüse, Brot aus dem Waldviertel – und zu Mittag vegetarische Menüs, zubereitet nach den Prinzipien der Fünf-Elemente-Küche. Maximal acht Plätze darf Haidacher ihren Gästen zum Essen und Trinken zur Verfügung stellen – doch auch dies soll künftig nicht mehr erlaubt sein. "Dabei braucht man das auf jeden Fall", spricht Haidacher aus Erfahrung.
Der Hintergrund: Betreiber von Gemüse- und Lebensmittelständen durften bisher acht Sitzplätze vor ihren Geschäften anbieten. In die bestehenden Verträge wird nicht eingegriffen – wer seine Plätze hat, darf sie behalten. Aber: Alle Stände, die seit 1. Juli eröffnet werden, dürfen das nicht mehr. Die sogenannten "Nebenrechte", die das Aufstellen der Tische bisher erlaubten, werden nicht mehr vergeben. Die Maßnahme sei eine "Notbremse", die Stadt wolle den "Wildwuchs an Gastronomie" auf den Märkten eindämmen, hieß es seitens der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ).
"Kaffee trinken"
Ähnlich sieht das Menekse Gülfirat, die ein paar Stände weiter bei "Zeytin Feinkost" arbeitet: "Es ist sehr wichtig, Tische anzubieten. Ohne sie könnten wir hier am Markt nicht überleben."
Und auch viele Gäste schätzen das Gastro-Angebot: Angelika und ihre Töchter Lisa und Annika kommen jede Woche auf den Karmelitermarkt. "Immer, wenn die Mama Hunger hat", sagt die siebenjährige Lisa. "Oder dringend einen Kaffee braucht", fügt ihre Mutter lachend hinzu.
Wiens ÖVP-Obmann Gernot Blümel, leidenschaftlicher Kritiker der Stadtregierung, lud daher auch am Freitag zu einer Pressekonferenz auf den Karmelitermarkt: "Warum soll eine Gemüsehändler seine Waren nicht zum Verkosten anbieten? Märkte sind keine reinen Handelsplätze wie einst im Mittelalter", erklärt er.
Volkertmarkt
Schauplatzwechsel: Am Volkertmarkt in Wien-Leopoldstadt kritisieren einige Standbetreiber die neue Regelung ebenfalls. Dragan Dogo arbeitet seit 23 Jahren hier, er verkauft Obst und Gemüse. "Was wollen die Leute hier? Kaffee trinken, genießen, Freunde treffen und einkaufen. Die Kunden mögen die Gastro-Stände – ohne sie kann man zusperren."
Eine resolute Standbetreiberin will ihren Namen lieber nicht nennen, denn: "Dann steht morgen ein Beamter da und ich zahl’ Strafe." Nur so viel: "Die neue Regelung ist eine Katastrophe."