Chronik/Wien

Wien sieht keine Drogenprobleme

Wiens Drogenkoordinator Michael Dressel erklärt, warum er gegen die Schaffung von Konsumräumen ist und warum die Stadt überlegt, in ferner Zukunft eine weitere Betreuungseinrichtung zu bauen.

KURIER: Polizei und Politik haben nicht gemerkt, dass auf einem Spielplatz mitten in Wien Drogen konsumiert werden. Wie ist das möglich?
Michael Dressel: Vorweg: Es ist nicht zu tolerieren, wenn Drogenkranke auf einem Spielplatz Drogen konsumieren. Das gehört geahndet. Zu Ihrer Frage: Wir haben ein enges Netzwerk mit Polizei, MA 42 und mit den Bezirken über die Stadt geknüpft. All diesen Partnern ist im konkreten Fall nichts aufgefallen. Klar ist, dass hier Konsumspuren vorliegen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass hier im großen Ausmaß Drogen konsumiert wurden. Man muss daher schon auch die Kirche im Dorf lassen.

Welche Konsequenzen wurden gezogen?
Sozialarbeiter und Polizei waren sofort vor Ort. Bis jetzt wurde aber niemand angetroffen. Wir bleiben dennoch dran.

Ist der Vorfall Andreaspark ein Einzelfall oder ein Sittenbild verfehlter Drogenpolitik?
Ein Sittenbild ist es sicher nicht. Der öffentliche Konsum ist stark zurückgegangen. Vor 10 Jahren umfasste die offene Szene 1000 Personen, heute sind es ca. 300, von denen ein Teil öffentlich Drogen nimmt. Den letzten vergleichbaren Vorfall mit Suchtkranken auf einem Spielplatz gab es vor einem Jahr.

Zuletzt war von Drogentreffpunkten in der Josefstädter Straße, der Novaragasse, am Rennweg und eben jetzt im Andreaspark die Rede. Ist dem nicht beizukommen?
Die letzte große Aufenthaltsszene hatten wir bis vor wenigen Jahren am Karlsplatz. Dort haben sich oft 400 Suchtkranke gleichzeitig aufgehalten. Diese Zeiten sind vorbei. Illusorisch wäre aber zu glauben, dass wir den Konsum völlig aus dem Stadtbild verbannen können. Das wird es immer geben.

Was ist aber mit den Hotspots Rennweg und Josefstädter Straße?
Hier geht’s um den Handel mit Drogen. Nach wie vor wird in der U4, der U6 und in der S-Bahn mit illegalen Substanzen gehandelt. Aber auch diese Hotspots wurden weniger. Die Polizei leistet bei diesem Katz-und-Maus-Spiel bis heute sehr gute Arbeit .

Es ist aber wohl schwer zu glauben, dass mit der Räumung des Karlsplatzes vor der Wien-Wahl sich plötzlich eine ganze Personengruppe in Luft aufgelöst hat. Wie soll das möglich sein?
Niemand hat sich in Luft aufgelöst. Dies gelang dadurch, dass wir unsere Kapazitäten mit der Eröffnung des Jedmayer verdoppelt haben. Außerdem ist die Wohnversorgung Suchtkranker mittlerweile sehr hoch. Viele dieser Menschen sind gut integriert. Auf der Straße konsumieren nur Leute, die schon sehr verelendet sind. Und diese Verelendung ist weniger geworden.

"Zu kleine Szene"

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Die Grünen haben mehr dezentrale Betreuung und die Schaffung von Konsumräumen gefordert.
Derzeit ist der Bedarf an Betreuung gedeckt. In Zukunft werden wir uns anschauen müssen, ob nicht eine weitere niederschwellige Betreuungseinrichtung nötig ist. Dafür ist es derzeit aber noch zu früh.

Warum wehren Sie sich vehement gegen Fixerstuben?
Die Szene ist definitiv zu klein. Das war eine Lösung für Städte wie Zürich, die in den 90er-Jahren eine enorme Verelendung der Suchtkranken erlebte. Wien ging einen anderen Weg – den der sozialen Integration.

Die Grünen sagen: Die Zahl der Drogentoten würde mit Konsumräumen zurückgehen.
Das glaub ich nicht. Wir haben seit Jahren konstant 80 Drogentote in Wien. Und ja, jeder Drogentoter ist einer zu viel. Nur Konsumräume würden daran nichts ändern. Der überwiegende Teil dieser Menschen stirbt in den eigenen vier Wänden und nicht auf der Straße.

Was ist das Ziel für die nächsten Jahre?
Wir müssen auf die neuen, illegalen Substanzen reagieren, die für ein komplett neues Publikum leicht im Internet erwerbbar sind. Hier liegen die Herausforderungen.

Den KURIER-Bericht über Süchtige, die auf einem Spielplatz Drogen spritzen, lesen Sie hier.

Reaktionen: Scharfe Kritik an den Grünen

Die Forderung der Grünen, Drogenkonsumräume in Wien einzurichten, sorgt bei der Rathaus-Opposition für Empörung. „Die Grünen zeigen immer mehr ihr wahres Gesicht, in welche Richtung sie die Stadt verändern wollen", sagen Ines Anger-Koch und Wolfgang Ulm von der ÖVP. Der Suchtgiftmarkt sei ein Angebotsmarkt. Je zugänglicher das Angebot sei, desto mehr würden auch danach greifen.

In die gleiche Kerbe schlägt auch FPÖ-Klubchef Johann Gudenus: „Dass die Grünen als besonderen Service für jene, die sie offenbar als ihre Klientel betrachten, nun auch vom Steuerzahler finanzierte Drogenkonsumräume fordern, ist eine Frechheit."
Bereits jetzt gebe es in Wien mindestens 12.000 Suchtgiftkranke. Diese Anzahl solle nicht durch noch mehr Bequemlichkeit gesteigert werden.

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