Wien, die Stadt der Strafen
Edin Mehic feiert bald sein Einjähriges – und zwar mit seiner Döner-Geschichte. Ende Februar 2016 wurde der damals 27-Jährige nämlich von der Polizei angezeigt. Warum? Weil er nach dem Genuss eines Döners am Praterstern gerülpst und sich ein Polizist davon in seinem behördlichen Anstand verletzt gefühlt hatte. Mehic hätte die Strafe von 40 Euro zahlen können, ließ es aber auf eine Anzeige ankommen. Der Fall war Dienstagabend auch Thema in der Puls4-Sendung "Vurschrift is Vurschrift". Mehics Anwalt Heinz Robathin hat Berufung angemeldet – die Strafe sei unverhältnismäßig. "Wenn jeder, der im Prater rülpst, Strafe zahlen müsste, wär’ der Staat saniert", sagt Robathin. Im März geht es wieder vor Gericht.
Fehlendes Augenmaß
So eine Anzeige wegen Rülpsens ist durchaus kurios, betreffen aber nicht nur Privatpersonen. Auch Betriebe werden immer wieder Opfer von skurrilen Strafen, weil die Behörden Vorschriften besonders streng auslegen, weiß man bei der Wirtschaftskammer. So zum Beispiel erst kürzlich ein Lokalbetreiber im 17. Bezirk: Wegen laufender Umbauarbeiten hatte er die Befunde, die zusammen mit der Betriebsanlagengenehmigung aufliegen müssen (z.B. Elektro- und Gasbefund) zu Hause aufbewahrt. Bei einer ad-hoc-Kontrolle konnte er sie daher nicht vorlegen. Er reichte sie am nächsten Tag nach. Trotzdem wurde er zu einer Strafe von zirka 1500 Euro verdonnert. Bereits etwas länger zurück liegt der Fall eines Kleinbetriebs, in dessen Lohnverrechnung ein Fehler von 153 Euro passierte. Dafür setzte es eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 11.000 Euro.
Für Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck besteht hier massiver Handlungsbedarf: "Die Vorgabe muss künftig lauten: Beraten statt strafen, Toleranzschwellen und Augenmaß sowie Kontrollen in angemessener Form." Die Gesetzgebung sollte dem Leitsatz "so wenig wie möglich, so viel wie nötig" folgen.
Auch die Neos wollen dem Amtsschimmel straffere Zügel anlegen: "Es gibt zu viele Bestimmungen, die überflüssig sind: Wieso muss in einem Gesetz stehen, dass Veranstaltungslokale immer genug Toilettenpapier haben müssen?", sagt Parteichefin Beate Meinl-Reisinger.
Keine Kavaliersdelikte
Streng behandelt die Stadt auch all jene, die auf Sauberkeit im öffentlichen Raum keinen oder nur wenig Wert legen. Das Wegschnippen einer Zigarette auf den Gehsteig zum Beispiel kostet 36 Euro. Wer nicht gleich bezahlt, nimmt eine Anzeige und eine noch viel höhere Strafe in Kauf. 320 Euro pro Tschick sind keine Seltenheit. Wer die Zigarette während einer Autofahrt beim Fenster hinauswirft, startet übrigens bei satten 75 Euro Strafe. Wer kein Sackerl für das Gackerl seines Hundes nimmt, muss 36 Euro berappen. Gleich viel kostet es übrigens, wenn man beim Taubenfüttern erwischt wird.
Verhängt werden diese Strafen von den 50 hauptberuflichen Waste Watchern, die in ganz Wien unterwegs sind. Und die waren im vergangenen Jahr besonders aktiv: Die Zahl der Organstrafen ist von 2015 auf 2016 von 4510 auf 5473 gestiegen (4666 betreffen Zigaretten, 496 Hundekot, 25 Einkaufswägen, 4 Sperrmüll, die restlichen 282). Das sind satte 21 Prozent mehr. Gleich hoch ist der Anstieg bei den Anzeigen: Statt 925 im Jahr 2015 gab es 1120 im Jahr 2016. Auch die Zahl der Ermahnungen ist von 783 auf 871 geklettert. Und das bei gleichzeitig weniger Info-Gesprächen. Das ist ein Rekord.
Als die Waste Watcher im Jahr 2008 ihren Dienst an der Sauberkeit angetreten haben, "wurde noch viel ermahnt und es wurden Informationsgespräche geführt", sagt Ulrike Volk, Sprecherin der zuständigen MA 48. "Diese Zeit ist nun vorbei. Die Leute wissen, dass sie bestraft werden und daher wird auch geahndet", sagt Volk. Nachsatz: "Verunreinigungen sind keine Kavaliersdelikte."