Chronik/Wien

Vassilakou: "SPÖ wird sich bewegen müssen"

Maria Vassilakou gibt sich angriffslustig. Die Vizebürgermeisterin will die Stadtverfassung ändern, damit auch EU-Bürger an der Volksbefragung teilnehmen können.

KURIER: Frau Vizebürgermeisterin, hatten Sie einen schönen Urlaub?

Maria Vassilakou: Danke, ja. Ich komme mit voll aufgeladenen Batterien zurück.

Der Boulevard ätzt, dass Sie 5 Wochen im Ausland weilen während in Wien ein angeblicher Krieg zwischen Fahrrad- und Autofahrern tobt.

Erstens war ich dazwischen in Wien. Zweitens stehe ich dazu: Urlaub ist keine Gnade, sondern eine Notwendigkeit für jeden. Sonst wird man zum Zombie. Die Untergriffe überraschen mich nicht. Unsere Verkehrspolitik ist nun mal Thema Nummer eins in der Stadt, Kontroverse inklusive.

Wie nervös macht es Sie, dass die Krone bereits das rot-grüne Ende herbeischreibt?

Ich wäre überrascht, würde die Krone jubeln. Der Bürgermeister und ich haben die Entscheidung für Rot-Grün sehr bewusst getroffen – als Aufbruch – wissend, dass der Boulevard nicht nur jubeln wird. Aber wenn Sie mich fragen, mir geht es in der Koalition noch zu langsam. Das Tempo, mit dem Entscheidungen fallen, müsste ein anderes sein.

Ab Montag tagt eine Expertenrunde über alternative, künftige Parkpickerl-Modelle. ÖAMTC und ARBÖ sind nicht an Bord. Ein Scheitern scheint vorprogrammiert.

Alle eingeladenen Experten und Organisationen kommen, auch der ARBÖ. Einzige Ausnahme: der ÖAMTC, der unerfüllbare Bedingungen wie das Aussetzen der Pickerl-Ausweitung gestellt hat. Aber die Tür bleibt offen. Die Stadt Wien will ein Modell, das auf breiten Konsens stößt und das im Frühjahr 2013 einer Volksbefragung unterzogen werden kann .

Bürgermeister Häupl hat im KURIER-Interview klar gesagt: Ein Pickerl für ganz Wien wird es mit ihm nicht geben.

Da das nicht im Koalitionspakt steht, kann ich in dieser Legislaturperiode damit leben. Ich denke aber, es braucht ein Modell der Parkraumbewirtschaftung für ganz Wien, sonst regiert das Florianiprinzip.

Die Befragung 2010 kostete 6,9 Millionen Euro und brachte fünf No-na-Fragen.

Eine Volksbefragung ist kein politischer Zeitvertreib. Mit den Grünen gibt es sicher keine Alibi-Fragen.

Wer soll bei der Volksbefragung teilnehmen dürfen?

Alle Wienerinnen und Wiener. Also nicht nur österreichische Staatsbürger, sondern auch EU-Bürger und Drittstaatsangehörige, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben. Das wäre ein mutiges Signal .

Mutig, aber mit der Bundesverfassung unvereinbar.

Deshalb sollten zumindest EU-Bürger zur Befragung zugelassen werden. Ich wünsche mir, dass wir das in Wien prüfen. Ziel wäre eine Umsetzung noch heuer.

Rot-Grün will EU-Bürger künftig auch bei Gemeinderatswahlen wählen lassen. Das wurde vom Höchstgericht schon einmal gekippt.

Dabei ging es vor allem um Drittstaatsangehörige. Viele Experten sind überzeugt, dass ein Wahlrecht für EU-Bürger verfassungskonform wäre. Zur Zeit darf jeder fünfte Bürger Wiens nicht wählen, also 300.000 Menschen. Das ist demokratiepolitisch inakzeptabel.

Bereuen Sie, 2010 mit ÖVP und FPÖ einen Notariatsakt für ein faires Verhältniswahlrecht unterzeichnet zu haben?

Nein. Es ebnete den Weg, auf dem wir uns nun befinden. Das Wahlrecht, das einst zurechtgezimmert wurde, um die Mehrheit der SPÖ einzuzementieren, wird geändert werden. Die SPÖ wird sich bewegen müssen.

Die Grünen sind also letztlich bereit, ein Wahlrecht mit der ÖVP, der FPÖ und gegen die SPÖ zu beschließen?

Zunächst geht’s darum, eine Einigung mit der SPÖ zu suchen und nicht darum, zu drohen. Doch die Option gibt es, ich wüsste aber nicht, warum es jetzt dazu kommen sollte.

Der Bund plant, dass Volksbegehren, die 650.000 Bürger unterzeichnen, automatisch zu einer Volksabstimmung führen. Positiv?

Ich bin für den Automatismus, aber nur, wenn zuvor klar festgelegt wird, worüber abgestimmt werden kann. Ich will nicht über Bürger- oder Menschenrechte abstimmen und auch nicht darüber, ob wir die Fristenlösung wieder abschaffen.

Nach eineinhalb Jahren Rot-Grün: Haben Sie sich regieren einfacher vorgestellt?

Es ist herausfordernd. Aber wir konnten viel bewegen – etwa die billigere Öffi-Jahreskarte, die erhöhte Mindestsicherung für Kinder oder die Pickerlausweitung. All das ist die Anstrengung wert .

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