Chronik/Wien

Vandalismus: Direktorin zäunt Schule ein

Ich will hier nicht eingesperrt werden", sagt die 14-jährige Jessica. Das Mädchen steht vor ihrer Schule am Schöpfwerk. Es ist kurz nach halb acht Uhr, eine halbe Stunde vor Schulbeginn. Schon in wenigen Tagen soll hier ein 1,80 Meter hoher Zaun das Schulgebäude von den umliegenden Gemeindebauten abschotten.

Ein Zaun, der - geht es nach Bezirksvorsteherin Gabriele Votava (SP) und der Schulleitung - die Kinder und Jugendlichen vor Vandalismus, vor ausgebrannten Müllkübeln und vor verunreinigten Spritzen und Glasscherben schützen soll.

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"Das ist Blödsinn", glaubt Jessica. Der Zaun werde an bestehenden Problemen nichts ändern. Auch die Mutter der 14-Jährigen, Katharina Plachy, ist Montag Morgen gekommen, um beim Bauauftakt für den 57.000 Euro teuren Gitterzaun zu demonstrieren und Unterschriften gegen das Projekt zu sammeln.

"Hier wird eine Schule vom Gemeinwesen abgeschottet", sagt Plachy. Sie und 20 andere Anrainer, Eltern und Schüler sind überzeugt: Damit werde das Gegenteil von dem erreicht, was beabsichtigt wird. Ein Zaun könnte von einzelnen Jugendlichen als Provokation aufgefasst werden, der Vandalismus könnte zunehmen.

Stadt in der Stadt

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Die Siedlung Am Schöpfwerk ist schon lange als sozialer Brennpunkt bekannt. Es ist eine kleine Stadt in der Stadt, die in den 70er-Jahren errichtet wurde. 5000 Menschen leben in dem einstigen Musterbau. Seit zwei Jahren wird versucht, dem Verfall der Siedlung mit einer 62 Millionen Euro teuren Sanierung Einhalt zu gebieten.

Dennoch bleibt die Frage: Wie unsicher ist das Grätzl, wenn sich eine Direktorin nicht anders zu helfen weiß, als Gründe, die zur Schule gehören, einzuzäunen?
"Wenn ich als Mutter mein Kind zum ersten Mal hierher bringen würde", gibt selbst Direktorin Christine Huth-Nirschl unumwunden zu, "würde ich auf der Stelle umkehren. Dabei wird hier pädagogisch sehr wertvolle Arbeit geleistet." Die Schulalltag funktioniere reibungslos. Es seien ja auch nicht die eigenen Schüler, die das Gelände verwüsten, sondern Jugendliche aus der nahen Umgebung.

Wie zum Beweis der dramatischen Lage zeigt die Direktorin Fotos von ausgebrannten Mistkübeln, von kaputten Fensterscheiben, "auch Spritzen haben wir hier gefunden". Klassen im Erdgeschoß könnten Fenster oft nicht öffnen, da die Hausfassade als öffentliche Toilette missbraucht werden.

Zwischen Jänner und September wurden 25 Fensterscheiben eingetreten. "Jedes kostet ca. 1000 Euro", sagt die Direktorin. "Wir haben schon vieles versucht, aber nichts hat gefruchtet." Eine klare Mehrheit der Lehrer sei für den Zaun. 250 Eltern unterstützen das Projekt.

Doch ist es nicht ein fatales Signal, wenn nur noch ein Zaun Sicherheit und Ordnung schaffen kann? "Es kommt darauf an, wie man es angeht. Und das Gelände wird auch weiter für Grätzlfeste und für die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen."

"Gefahr in Verzug"

Bezirksvorsteherin Votava sieht das ähnlich. "Es herrscht Gefahr in Verzug." Die Lage habe sich in den vergangenen Monaten dramatisch zugespitzt. "Wenn was passiert, dann bin ich und sind die Direktorinnen verantwortlich", sagt die Politikerin, die den Zaun aus dem Bezirksbudget finanziert. Auch sie spricht von "kleineren Brandanschlägen" in der Vergangenheit. Außerdem stehe allen Einwänden zum Trotz das subjektive Sicherheitsgefühl und die Tatsache, dass die Schule durch den Zaun erweitert würde, im Vordergrund. Überhaupt versteht sie die Aufregung nicht. Andere Schulen seien von vornherein eingezäunt.
"Und ich bin überzeugt, dass wir am Schöpfwerk noch dringlichere Probleme zu lösen haben."