"Ungeheuerlich, wie Wien mit seinen Ärzten umgeht"
Es war ein kleiner Vorgeschmack darauf, was sich am kommenden Montag in der Wiener Innenstadt abspielen wird. Bereits zur arbeitsrechtlichen Schulung für den an diesem Tag geplanten Warnstreik der Wiener Spitalsärzte trafen sich am Mittwoch 350 Mediziner im Festsaal der Wirtschaftsuni.
Wie berichtet, entzündete sich der Protest der Ärzte an der Ankündigung des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV), 40 Nachtdienste zu reduzieren. Das sei ein Bruch der im Vorjahr getroffenen Vereinbarung, wettert die Ärztekammer.
"Es geht uns nicht um unsere Entlohnung, sondern um das Gesundheitssystem. Die Patientenversorgung wird immer schlechter", sagt Claudia Ludwig, Internistin am Otto-Wagner-Spital. Sie kritisiert auch das Vorhaben des KAV, 25-Stunden-Dienste weitgehend durch 12,5-Stunden-Dienste zu ersetzen. "Das kann man nicht pauschal auf allen Abteilungen machen", sagt die Ärztin. "Es ist sehr wichtig, dass jetzt die Ärzte zusammenstehen, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen."
Ein Kollege formuliert es wesentlich schärfer: "Es ist ungeheuerlich, wie die Gemeinde Wien mit ihren Medizinern umgeht, besonders mit den Jungärzten", empört sich ein Turnusarzt. "Den Ärzten wird ein neues System aufgezwungen, ohne dass mit ihnen Rücksprache gehalten wird. So etwas kennt man nur aus totalitären Staaten."
"Wie in der DDR"
Kritik am aus Ärztesicht brachialen Vorgehen der Stadt ist an diesem Nachmittag immer wieder zu hören. "Von der KAV-Generaldirektion wurde auf uns viel Druck ausgeübt, nicht am Streik teilzunehmen", sagt eine Ärztin am Rande der Veranstaltung zum KURIER. "Es wurde mit negativen Dienstbeurteilungen und Nicht-Vertragsverlängerungen gedroht."
Darauf geht auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres ein, der von seinen Kollegen mit Standig Ovations begrüßt wurde: "Zuletzt gab es Drohmails aus dem KAV, etwa mit der Aufforderung, streikende Kollegen an die Generaldirektion zu melden. Das erinnert an das Spitzelsystem in der DDR. Und die ist auch untergegangen."
Wie berichtet, hat der KAV seinen Ärzten mitgeteilt, dass eine Teilnahme am Streik am Montag eine Verletzung der Dienstpflicht bedeuten würde. Szekeres dazu: "Die Gründerväter der Sozialdemokratie würden im Grab rotieren, wenn sie erfahren würden, dass die rot regierte Stadt Wien einen Streik untersagen will."
Kritik von Häupl
Unterstützung bekommen die Ärzte just von Bürgermeister Michael Häupl: "Bei einem Streik mit dienstrechtlichen Konsequenzen zu drohen, kann ich nicht goutieren", sagt Häupl am Mittwoch zum KURIER. Er halte derartige Drohungen für falsch.
Häupl nimmt die Ärzte allerdings auch in die Pflicht. "Sie müssen sich überlegen, welche Verunsicherungen sie mit solchen Maßnahmen bei den Patienten auslösen."
Er habe den Eindruck, dass es überhaupt nicht um die Spitäler in Wien gehe. "Sondern um den Wahlkampf von Präsidenten Szekeres in der Ärztekammer und um den – diplomatisch ausgedrückt – Unmut der Ärzte mit der Leitung des KAV."