Überfall auf Wiener Juwelier: Litauer geständig
Nach dem Juwelierüberfall in Wien-Fünfhaus, bei dem einer der drei Räuber vom Geschäftsbesitzer erschossen wurde, gibt es nun ein Geständnis: Ein 20-jähriger Litauer, der am Freitag in Hernals festgenommen wurde, gab vor den Ermittlern zu, an dem Überfall in der Äußeren Mariahilfer Straße am selben Tag beteiligt gewesen zu sein. Ebenso berichtete der 20-Jährige, Teil einer Tätergruppe zu sein, die für zwei weitere gescheiterte Überfälle verantwortlich ist, die jeweils am 29. Juni verübt worden sind. Nach einem dritten 20-jährigen Täter wird per EU-Haftbefehl gefahndet.
Die drei Räuber waren maskiert und zumindest teilweise bewaffnet in das Geschäft gestürmt, woraufhin der Inhaber selbst zur Waffe griff, nachdem er sowie seine Ehefrau mit einer täuschend echt aussehenden Spielzeugpistole bedroht worden sind. Nach der Schussabgabe durch den Juwelier flüchteten die Täter aus dem Geschäft. Der Getroffene brach nach einigen Metern auf einer Kreuzung in der Mariahilfer Straße zusammen. Bei ihm wurde ein Ausweis gefunden, der auf einen 43-jährigen Mann aus Litauen ausgestellt worden ist. Die anderen beiden Verdächtigen flüchteten laut Zeugenaussagen zu Fuß stadtauswärts.
Zwei missglückte Raubversuche
Die Ermittlungen rund um die Tätergruppe aus dem Baltikum, die das Landeskriminalamt Wien (Leitung: Oberstleutnant Robert Klug) führt, ergaben nach der Befragung des 20-Jährigen, dass auch ein missglückter Raub in einem Antiquitätengeschäft in der Innenstadt vom 29. Juni auf das Konto der Bande geht. Hier versuchte ein erst 15-jähriger Litauer, gegen 15.00 Uhr mit rund 30 erbeuteten Schmuckstücken zu fliehen. Die 72-jährige Geschäftsinhaberin ging dem Burschen damals aber hinterher und schrie in der Singerstraße um Hilfe. Zwei Passanten hörten die Schreie, verfolgten den Täter und hielten diesen wenige Meter vom Geschäft entfernt bis zum Eintreffen der Polizei fest. Der Jugendliche erhielt eine Anzeige auf freiem Fuß. Er hält sich laut Rossmann noch in Wien auf und wird ebenfalls noch befragt.
Der dritte Überfall, der auf das Konto der Räuber geht, verlief ebenfalls nicht erfolgreich. Diesmal versuchten zwei Täter einen Juwelier in Wien-Simmering zu überfallen, wobei sie hier das Mobiltelefon einer Angestellten erbeuteten. Der geständige 20-Jährige wurde in die Justizanstalt Josefstadt gebracht. Bei dem getöteten Mann stand laut Rossmann das Obduktionsergebnis noch aus.
Der Juwelier, der bei dem bewaffneten Raubüberfall auf sein Geschäft in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus zur Waffe gegriffen und einen der drei Täter erschossen hat, muss mit einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren rechnen. Wie Thomas Vecsey, stellvertretender Leiter und Mediensprecher der Wiener Anklagebehörde, erläutert, ist bei Toten durch Fremdverschulden die Einleitung eines Verfahrens obligatorisch. Demnach wird von Amts wegen stets geprüft, ob der Schusswaffen-Gebrauch gerechtfertigt war.
Dies wäre dann der Fall, wenn zweifelsfrei eine Notwehr-Situation vorgelegen hat. Laut Strafgesetzbuch (StGB) ist eine solche gegeben, wenn der Waffengebrauch der "notwendigen Verteidigung" dient, um einen "gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen abzuwehren". Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob der Angriff unmittelbar gegen den Schützen oder einen Dritten - etwa einen Angehörigen - gerichtet ist.
Zeugen und Gutachter entscheidend
Wie Vercsey in diesem Zusammenhang betonte, spielen bei der Beurteilung, ob tatsächlich Notwehr vorliegt, die Aussagen von - idealerweise unbeteiligten - Zeugen und vor allem die Gutachten von Sachverständigen eine entscheidende Rolle. Vor allem die Expertisen der Gerichtsmediziners, der auf den Ergebnissen der Obduktion aufbaut, und des Ballistikers, der anhand des Schusskanals womöglich den Tatablauf rekonstruieren kann, sind aufschlussreich. Immense Bedeutung haben natürlich - so vorhanden - auch die Bilder oder Videos aus einer Überwachungskamera.
Lässt sich eine Notwehr-Situation mit den vorhandenen Beweismitteln belegen, ist der Schütze nicht automatisch aus dem Schneider. Die Notwehr muss zusätzlich gerechtfertigt sein. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn es offensichtlich ist, dass dem Angegriffenen bloß ein sogenannter "geringer Nachteil" gedroht hätte und die Verteidigung "unangemessen" war.
Strafbarkeit wäre also gegeben, wenn das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschritten wird oder überhaupt eine - so das StGB - "offensichtlich unangemessene Verteidigung" vorliegt. Wie Vecsey darlegte, müsste beispielsweise ein Überfallener möglicherweise dann mit einem Strafprozess rechnen, wenn dieser nach dem Raub dem Täter, der sich bereits von ihm abgewandt und eine geringe bzw. keine Beute gemacht hat, mit einer Waffe in den Rücken schießt. "Bei offensichtlicher Notwehrüberschreitung kommen grundsätzlich alle im Strafgesetzbuch vorgesehenen Delikte zum Tragen", sagte der Staatsanwalt.
Klärung erst in Monaten
Die Frage, ob der Wiener Juwelier gerechtfertigt gehandelt hat, wird vermutlich erst in einigen Wochen, möglicherweise Monaten geklärt werden. Ähnliches gilt für den Taxifahrer, der Anfang Juni in Wien-Donaustadt einen 21-Jährigen erschossen hat, der ihn berauben wollte, zumal es in diesem Fall keine Tatzeugen gibt. Bis die benötigten Gutachten in schriftlicher Form vorliegen, vergeht erfahrungsgemäß einiges an Zeit.
Eine Notwehr-Situation hatte die Anklagebehörde einem Trafikanten zugebilligt, der am 4. Jänner 2010 in seinem Geschäft in der Vorgartenstraße in Wien-Leopoldstadt überfallen wurde. Ein Schießsachverständiger konnte damals eindeutig nachweisen, dass der mit einer täuschend echt aussehenden Spielzeugpistole ausgerüstete Täter mit erhobener Waffe auf den Trafikanten zuging und dieser daher von einer für ihn lebensbedrohlichen Situation ausgehen durfte, als er unter der Lade eine Pistole hervorholte und übers Pult hinweg dem Mann in die Brust schoss.