Chronik/Wien

Terror-Propagandisten erzürnt über Verbot von Dschihad-Symbolen

Auf die Meldung, wonach das Tragen von Symbolen der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) bald verboten sei, reagiert der aus Wien stammende Firas H. auf Facebook aufgeschreckt: "Als Muslim ist man in Österreich so erniedrigt."

Bei Firas H. handelt es sich um einen "Chef-Propagandisten" des sogenannten Medienministeriums der IS-Terrormilizionäre. Seit Monaten bombardiert der 19-jährige Floridsdorfer aus der IS-Zentrale in der syrischen Stadt Raqqa per Facebook die österreichische Migrantenszene mit Werbebotschaften. Er posiert mit einem abgeschnittenen Kopf und beim Zählen von Geld, das angeblich bei ermordeten syrischen Soldaten erbeutet wurde. Auf immerhin 3234 Facebook-Freunde hat er es damit hierzulande bereits gebracht. Zu begeisterten Fans gehört etwa der Zuwanderer Arslan I. aus Bregenz. Der nutzt Facebook zu einem Aufruf: "Wer verkauft echte Pistole bitte bei mir melden ich will sogar 2 - 3 Stück kaufen geld vorhanden."

Zu den IS-Freunden gehört auch der gerade 16-jährige Mertcan Y. aus Floridsdorf. Der Hauptschüler posiert stolz mit Dschihad-Flagge. Ebenfalls dabei ist Mohammed H. aus der Wiener City. Er hat immerhin die HTL Mödling absolviert. Jetzt erregt er sich im Netz maßlos über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, weil dieser "schlechtes über ISIS erzählt".

Netzwerk

Die meisten sind sehr jung, arbeitslos und huldigen diversen Kampfsportarten. Die Behauptung von Firas, dass er im islamischen Zentrum in Wien-Floridsdorf für die IS angeworben wurde, halten die Behörden für eine gezielte Provokation. Es soll zwar in Wien ein professionelles Rekrutierungsnetzwerk geben. Dessen Agenten würden aber die offiziellen Gebetshäuser meiden, weil sie dort sofort auffliegen würden.

Beliebte Rekrutierungsorte seien Parkanlagen auf der Donauinsel, in Favoriten, am Handelskai und auf der Jägerstraße.

Das effektivste Werbemittel ist nach wie vor das Internet, das aber durch die neue Rechtslage bedroht scheint. Das erklärt auch den Frust der IS-Propagandisten über die geplante Verschärfung der neuen Regelungen.

Dschihad-Mädchen

Für Aufregung sorgt ein Internetgerücht, wonach eines der beiden "Dschihad-Mädchen" aus Wien-Favoriten in Syrien getötet worden sei. Sabina, 15, und Samra, 16, meldeten sich nach ihrem Verschwinden im April mehrmals aus dem syrisch-türkischen Grenzgebiet.

Anfangs schwärmten die Jugendlichen noch von ihrem neuen Dasein und forderten andere junge Frauen dazu auf, ihnen in den Heiligen Krieg zu folgen. Zum Absetzen dieser Meldungen mussten sie – oder zumindest ihre Handys – mehrmals die türkischen Grenze überschreiten. Dass nun die 15-jährige Sabina zu Tode gekommen sein soll, wie im Internet verbreitet wird, kann aber von der Polizei nicht bestätigt werden.

Selbst wenn beide noch am Leben sind, ist davon auszugehen, dass sie ein tragisches Schicksal erlitten haben. Denn für den Kampf werden junge Frauen von den IS-Söldnern nicht angeworben. Frauen droht der sogenannte "Dschihad al-Nikah" – die sexuelle Ausbeutung.

Fast 20 Jahre lang war der gebürtige Türke Ercan Nik Nafs in der Jugendarbeit in Wien engagiert, zuletzt in Favoriten. Seit einigen Monaten ist er Kinder- und Jugendanwalt. Das Thema Extremismus begleitet ihn schon lange – auch die Dschihadisten-Szene beobachtet er. „Radikalisierungswellen hat es schon immer gegeben. Aber nicht so, dass junge Menschen in ein Auto gesetzt werden und in den Krieg fahren“, sagt Nik Nafs. „Man muss ganz klar sagen: Ja, wir haben das Problem.“

Das Beuteschema der Anwerber ist klar: Junge Menschen, die den Anschluss an die Gesellschaft nicht so einfach finden, die auf Sinnsuche sind, sind anfällig für extreme Thesen. Der Platz dafür sei seiner Meinung nach oft die Moschee. „Dort passiert es. Zum Beispiel in Floridsdorf. Es ist notwendig, da nicht wegzuschauen sondern zu fragen: Wie kommt es dazu? Was tut man dagegen?“

Was Familie und Gesellschaft nicht geschafft haben, gaukeln die Anwerber vor: „Sie haben Macht. Sie geben den Betroffenen ein neues Ziel, einen Neubeginn. Dass der sehr radikal und in einer abwertenden Form stattfindet, sehen die Jugendlichen nicht. Sie werden ernst genommen. Nur: Der Neustart findet im Krieg statt.“

Bruch mit Familie

Kommen die Söhne und Töchter mit radikalen Gedanken nach Hause, sind die Eltern meist überfordert. Ihre Kinder kommen mit einem missionarischen Auftrag. „Widerstände in der eigenen Familie bringen den Bruch. Das ist ein gefährlicher Zustand“, erklärt der Jugendanwalt. „Und darauf zielen diese Gruppen ab.“ Die Drahtzieher bleiben im Hintergrund. „Diese Strukturen zu durchschauen, ist schwierig“, sagt Nik Nafs. Und er stellt fest: „Wir müssen den Betroffenen Halt geben.“

Im Herbst soll eine Stelle geschaffen werden, die alle Einrichtungen umfasst, die das Thema betrifft – Schulen, Jugendwohlfahrt und -zentren genauso wie die Glaubensgemeinschaft oder Gefängnisse.