Chronik/Wien

Prozess: Wann ist ein Mord ein Mord?

Mord und 14-fachen Mordversuch klagt die Staatsanwaltschaft an. "Jeder mit Hausverstand sieht doch, dass das kein Mord war", meint hingegen Verteidiger Ernst Schillhammer. Beim Prozess rund um die fatale Explosion im April 2014 am Wiener Hohen Markt geht es um eine spannende Frage: Wann ist ein Mord eigentlich ein Mord?

Die Ost-Mafia?

Doch zunächst zur Vorgeschichte: Der Angeklagte Werner C. (46) lebte über seine Verhältnisse. Der Unternehmensberater verdiente mal 40.000 Euro da, mal 70.000 Euro dort – und manchmal eine Zeit lang eben gar nichts. Er kam immer wieder in Zahlungsschwierigkeiten. Auch für seine Mietwohnung in der Marc-Aurel-Straße zahlte er die 1650 Euro Monatsmiete nicht mehr.

Am Tag der geplanten Delogierung explodierten in der Wohnung 15 Liter Benzin. Die 23-jährige Nachbarin (eine Oxford-Absolventin) starb dabei qualvoll, als sie unter einer umgestürzten Mauer erstickte. 14 weitere Mieter waren in Lebensgefahr. Der Angeklagte bestreitet jede Schuld – er belastet den Vermieter, dem er Kontakte zur Ost-Mafia unterstellt. Doch viele Indizien weisen auf ihn, auch wenn ein wirklich stichhaltiger Beweis fehlt.

"Paragraf veraltet"

Das Schöffengericht sah sich vergangenen Oktober für unzuständig an, weil es bei der Brandstiftung um Mord gehen könnte. Denn im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist für einen Mord kein geplanter Todesvorsatz notwendig. Es reicht, wenn man Tote billigend in Kauf nimmt. Dann wäre es bereits ein Mord. Schillhammer hält diesen Paragrafen für "veraltet".

Es werden ingsesamt vier Sachverständige und 22 Zeugen befragt. Halten die Geschworenen Werner C. tatsächlich für einen Mördern, droht ihm lebenslange Haft. Heute, Mittwoch, wird der Prozess fortgesetzt. Das Urteil wird im Herbst gefällt.