Chronik/Wien

Parfümierte U-Bahn verduftet sich: Was von der Aktion bleibt

Bis zum Schluss war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Letztlich hatten die bedufteten U-Bahnen in der Fahrgäste-Abstimmung aber das Nachsehen. Das haben die Wiener Linien am Montag bekannt gegeben.

Wie berichtet, hat der Verkehrsbetrieb ab Anfang Juli probeweise in je zwei Garnituren von U1 und U6 Raumduft versprüht.

Die Wiener durften online abstimmen, ob die parfümierten Waggons künftig Standard werden sollen. Das sollen sie nicht, sagt nun die Mehrheit der Fahrgäste.

Die Testphase

Von 3. bis 31. Juli versprühten die Wiener Linien über die Lüftung von vier Garnituren die Düfte Energize (Citrus, grüner Tee), Fresh White Tea (holzig), Happy Enjoy (Moschus, Sandelholz) und Relax (Jasmin, Melone,  Rose).

Die Abstimmung

21.000 Teilnehmer sprachen sich gegen beduftete U-Bahnen aus, 16.000 dafür. Die Befürworter bevorzugten die Sorte Energize.  

 

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Ist das Pilotprojekt der roten Öffi-Stadträtin Ulli Sima also eine Bruchlandung? Der KURIER hat sich die Aktion genauer angesehen.

War die duftende U-Bahn ein Misserfolg?

Das kommt darauf an, welche Kriterien man heranzieht. Inhaltlich betrachtet war das Projekt ein klarer Fehlschlag. Die Begeisterung für die parfümierten Waggons war offenkundig nicht groß.

Anders verhält es sich mit dem Marketing-Wert: Denn interessiert hat die Duft-Aktion gar nicht so wenige Fahrgäste. Immerhin 37.000 Personen haben bei der Umfrage mitgestimmt – was für das relativ unbedeutende Thema Raumduft viel ist.

Ein Vergleich: Eine ähnliche Umfrage zum mittlerweile gültigen Essverbot in der U-Bahn verzeichnete im vergangenen Sommer 51.216 Teilnehmer. Ein PR-Effekt bleibt also.

Was hat der Versuch gekostet?

5.000 Euro, sagen die Wiener Linien. Das ist zwar nicht so günstig wie die U-Bahn-Stars, die gratis in den Stationen musizieren. Für ein Unternehmen mit rund 718 Millionen Euro Jahresumsatz sind es aber Peanuts.

Ist es gerechtfertigt, dass ein städtisches Unternehmen Geld für solche Aktionen ausgibt?

Betrachtet man mögliche Effekte auf die Fahrgastzahlen, dann nein. Mehr Fahrgäste bringen solche Aktionen den Wiener Linien nicht, sagt etwa Claus Ebster, Dozent am Lehrstuhl für Marketing an der Uni Wien.

Denn: „Andere Faktoren sind entscheidender. Zum Beispiel, wie dicht die Intervalle und das Haltestellennetz sind.“

Ziel solcher Projekte sei vielmehr, in die Medien zu kommen. „Die Wiener Linien versuchen, auf sich aufmerksam zu machen. Sie möchten signalisieren, dass sie da sind und gut funktionieren“, sagt Ebster. „Sie können so zeigen, dass sie innovativ sind.“

Was für die Wiener Linien gilt, gilt umso mehr für die zuständige Stadträtin: Jede PR-Aktion für die Wiener Linien ist auch eine für Ulli Sima. Sie inszeniert sich gerne mit ausgefallenen Aktionen – im anlaufenden Wahlkampf noch lieber als sonst.

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Dass die Duft-U-Bahn vor allem eine Marketing-Aktion war, gibt die Stadträtin übrigens auch zu: „Sicher geht es da um PR. Wir wollen, dass die Menschen über die Öffis diskutieren. Und wir wollen zeigen, dass das gute Öffi-System nicht gottgegeben ist“, sagt Sima.

Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Aktion ist angesichts wiederholter Berichterstattung in Printmedien, TV und Radio dennoch „hervorragend“, sagt Marketing-Experte Claus Ebster. Wieder gut für die Politikerin: Besser, man bleibt mit kreativer PR in Erinnerung, als mit teuren Inseraten.

War es erwartbar, dass die Aktion scheitert?

Ja. In den sozialen Medien hatte die Beduftung heftige Reaktionen nach sich gezogen. Der Duft sei eine Zumutung für geruchsempfindliche Personen, schrieben User den Wiener Linien. Und es kamen Zweifel auf, ob die Parfums gesundheitlich tatsächlich so unbedenklich sind, wie der Verkehrsbetrieb versicherte.

Dabei sind die Wiener Linien bei Weitem nicht das einzige Unternehmen, das gezielt Düfte einsetzt. Sogenanntes „Duftmarketing“ ist vor allem in Hotels und in Handelsunternehmen weit verbreitet. Die Düfte werden dabei oft so dezent eingesetzt, dass die Kunden sie kaum wahrnehmen.

Das war zwar auch in den parfümierten U-Bahnen so. Aber: Im Unterschied zu den meisten anderen Unternehmen haben die Wiener Linien die Beduftung angekündigt.

Die ÖBB etwa testeten im Vorjahr im Fahrgastbereich eines Nahverkehrszugs in der Ostregion ebenfalls Parfums – allerdings von der Öffentlichkeit unbemerkt. Zur Dauereinrichtung wurde die Beduftung trotzdem nicht: Der erwartete Einfluss auf das Wohlbefinden blieb aus, heißt es von den ÖBB.

Sind die Duft-Experimente in den Wiener Öffis jetzt vorbei?

Ja. Einmal legt Stadträtin Sima aber noch nach: Mit dem Fast-Siegerduft und Simas eigener Lieblingsnote „Energize“ soll es im September eine neue Aktion geben.

Worum es dabei gehen wird, ist noch geheim. Aber, so viel sei verraten: „Die Aktion wird nicht in den Öffis stattfinden. Wir beduften nach den U-Bahnen jetzt nicht die Straßenbahnen“, sagt Sima zum KURIER.