Chronik/Wien

ÖVP-Juraczka: "Jeder fleißige Migrant ist willkommen"

Einst ÖVP-Chef, verbrachte Manfred Juraczka die vergangenen Jahre als einfacher Gemeinderat. Überraschend wurde er jetzt ins türkise Sondierungsteam bestellt, das sich am Mittwoch mit der SPÖ trifft.

KURIER: Warum sitzen Gemeinderätin Ingrid Korosec und Sie im ÖVP-Sondierungsteam und nicht – wie bei anderen Parteien üblich – die Klubchefin und die Landesgeschäftsführerin?

Manfred Juraczka: Wir wollten bewusst Leute ins Sondierungsteam hineinnehmen, die man schon länger kennt, wo die SPÖ weiß, wem sie gegenübersitzt und wo deren inhaltliche Schwerpunkte liegen. Unser Team ist als Angebot zu wirklich ernsthaften Gesprächen zu verstehen.

Die Neos bewerten die eigene Chance für einen Regierungseintritt mit 50:50. Wie sieht das bei der ÖVP aus?

Der Ball liegt bei der Sozialdemokratie, die zwischen drei potenziellen Partnern wählen kann. Wie hoch die Chancen stehen, kann ich nicht beurteilen, da müssten Sie Michael Ludwig fragen.

Viele halten eine SPÖ-ÖVP-Koalition für die unwahrscheinlichste. Teilen Sie diese Einschätzung?

Die Neos sind wohl günstiger zu haben – nicht nur, wenn es um die Zahl der Stadträte geht. Aber warten wir ab.

Wo liegt die größten Übereinstimmung mit der SPÖ?

Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin spricht der jetzige Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke davon, dass ihm wirtschaftliche Gesundung dieser Stadt und Prosperität ein wichtiges Anliegen sei. Nachdem er sein erstes Budget vorgelegt hat, stellt sich die Frage, ob er einen wirtschaftsfreundlichen Weg weitergehen will oder wieder der Renate-Brauner-Stil Einzug hält.

Herkunft
Geboren 1969, studierte  Manfred Juraczka  Publizistik und Politikwissenschaften. Von 2004 bis 2011 war er bei Alcatel tätig

Politik
2012 wurde er ÖVP-Landesparteichef, nach der schweren Niederlage 2015 trat er zurück, bis 2018 blieb er noch Klubchef

Lassen sich solche Vergleiche angesichts der  Pandemie überhaupt ziehen?

Gerade jetzt ist es wichtig, den Unternehmen zu helfen und sie zu entlasten.  Wenn wir jetzt noch immer über so einen Käse wie eine U-Bahn-Steuer oder Luftsteuer diskutieren müssen, dann stellt sich schon die Frage: Wie kann man ständig die Bundesregierung hinsichtlich der Corona-Hilfen kritisieren, wenn man selber nicht im Geringsten bereit ist, sich zu bewegen? Da würde mir schon etwas mehr Mut zur eigenen Courage ganz gut gefallen.

Was sind die Hauptforderungen der ÖVP beim Thema Integration?

Wir müssen klar dagegen ankämpfen, dass es Parallelgesellschaften gibt.  Jeder fleißige Migrant, der sich in unsere Gesellschaft einbringen will, ist willkommen. Das geht aber nicht, wenn jemand nur in seinem Umfeld, in seiner Kultur und in seiner Sprache verbleibt. Er muss vielmehr  bereit dazu sein, auch in Österreich anzukommen.

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Wo sehen Sie die größten Knackpunkte bei möglichen Verhandlungen mit der SP?

Es wird seitens der SPÖ notwendig sein, zuzugeben, wo es Defizite gibt. Wenn man etwa bei der Integrationspolitik wie im Wahlkampf so tut, als wäre alles in Ordnung, dann wird es schwierig.  

Welche Ressorts strebt die ÖVP an?

Es ist gute Tradition, dass man in Koalitionsverhandlungen zuerst über Inhalte redet. Wenn wir uns inhaltlich geeinigt haben, werden wir uns auch in dieser Frage einigen.  Dass der ÖVP die wirtschaftliche Situation in dieser Stadt ein großes Anliegen ist, ist kein Geheimnis. Das heißt aber nicht, dass das automatisch mit bestimmten Personalien verbunden sein muss.

Wie kommt es in der ÖVP an, dass sich Wirtschaftskammer-Chef Walter Ruck so oft mit Ludwig trifft?

Als Kammerpräsident kann man nicht Gesprächsverweigerung gegenüber dem Bürgermeister betreiben.  Wenn er es schafft,  bei ihm  Positives für die Wiener Unternehmen zu bewirken, kann uns das nur recht sein.

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