Chronik/Wien

Neubau: Zwischen Kebab und Kirche am Platz der Polemik

Wenn der Wiener an den 7. Bezirk denkt, dann fällt ihm wohl zuallererst die Mariahilfer Straße ein. Dann – die soeben umgebaute – Neubaugasse. Oder die Gässchen am Spittelberg. Lauter Straßen also.

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Für die Neubauer selbst dreht sich neuerdings aber alles um einen Platz. Er befindet sich an der Kreuzung  von Zieglergasse und Westbahnstraße. Für die einen ist er das neue Zentrum des Bezirks, für die anderen der Schandfleck des Grätzels. Und beides hat mit dem dortigen Kebab-Stand zu tun. 

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Auf dem Platz offenbart sich eines: Neubau ist zwar der urbane In-Bezirk Wiens – hier geht man abends aus, hier ist die Kreativ-Szene und hier wollen die Studenten wohnen (leisten können sie es sich aber oft nicht). Doch: der drittkleinste Bezirk Wiens ist auch ein bisschen wie ein Dorf. 

 

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Neubau entstand aus Vorstädten


Ein solches war er früher definitiv: Neubau entstand aus den Vorstädten St. Ulrich, Neubau, Spittelberg, Schottenfeld, Alt-Lerchenfeld, Laimgrube, Mariahilf, und Neustift – 1850 wurde der Bezirk Neubau gegründet. Wo sich der besagte Platz befindet, gab es früher Felder und Weingärten, die dem Schottenstift (einem Benediktinerkloster) gehörten.

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Später siedelten sich Seidenfabriken an, 300 gab es zur Blütezeit. Der damalige Name der Gegend: Brillantengrund.  An diese goldene Zeit erinnert Marvin Mangalinos „Hotel am Brillantengrund“ (samt Restaurant) in der Bandgasse.  Vor zehn Jahren verwandelte er ein altmodisches Hotel in einen Treffpunkt der Kunst- und Kulturszene. Sogar die New York Times berichtete darüber.

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Seit dem Jahr 2015 hat er um die Ecke einen Mitstreiter: den Berliner-Döner, der sich zum Street-Food-Hotspot entwickelt hat. „Der Stand zieht hier ganz neue Leute an“, sagt Mangalinos. Und das meint er nicht nur positiv: „Die Kebab- und Dürüm-Sackerl werden bei mir in den Gastgarten geworfen oder an die Türklinke gehängt.

Pfarrer isst Kebab

Mangalinos selbst bietet philippinisches „Bistek“ mit selbst gemachtem Seitan an – als Alternative zum Kebab. Mit 14,90 Euro kostet das aber so viel wie etwa vier Kebab. In zwei Minuten mache der Stand wohl 70 Euro Umsatz, hat der Hotelier berechnet. 

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Gleich hinter dem Berliner Döner befindet sich die Pfarre St. Laurenz am Schottenfeld. Pfarrer Peter Fiala hat diese Woche dort seine erste Messe konzelebriert.

 

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Nach dreizehn Jahren in Margareten und drei Jahren in der Karlskirche kam er hierher. „Ich habe schon gehört, hier soll es das beste Kebab geben“, sagt er mit Blick auf die lange Schlange vor dem Stand.

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Dass dieser hier ist, liegt auch an der Kirche: Der Grund gehört dem Schottenstift, sie verpachtet ihn an den Stand-Betreiber. „Wir haben ganz unterschiedliche Gäste, vom Polizisten bis zum ZIB-2-Moderator“, sagt Döner-Chef Beyto Karakülha. Sein Geheimrezept:  selbst gebackenes Brot, frischer Salat und gute Saucen. „Es ist billig und gut“, sagt ein Student, der in der Schlange steht. Ein älterer Passant kann wenig mit dem Ensemble anfangen: „Was hat Berlin mit Döner und der Kirche zu tun? Das ist stilfremd“, sagt er. 

Offen für Neues

Zu Corona-Zeiten wurde der Platz vor dem Döner regelrecht überrannt: Die Menschen standen bis um die Ecke Schlange. Anrainer beschwerten sich über Verschmutzungen und den Lärm und die Autos, die wie bei McDrive mit angelassenem Motor  Kebab bestellten. Und der Andrang hält an.  Deshalb will der Bezirk den Platz bald umbauen. 
Der Geistliche Peter Fiala hat mit dem Halligalli vor der Kirche kein Problem.  „Ich bin das alles doch von der Karlskirche gewöhnt. Ich möchte die Kirche auch hier – wie beim Popfest – für musikalische und junge Performances öffnen.“

Fotobezirk
Die Westbahnstraße ist das Fotomekka Wiens. Hier reiht sich ein Fotogeschäft an das nächste. Das Highlight ist die Galerie Westlicht 

Kinobezirk
1910 gab es im 7. Bezirk 18 Kinos. Voriges Jahr musste Wiens ältestes Lichtspielhaus, das Bellaria Kino, nach 107 Jahren schließen. Das Admiralkino lädt jeden ersten Donnerstag im Monat zum „Doggy Day“  (also zum Filmschauen mit  Hund) ein 

Grauer Bezirk
Neubau hat nur zwei Prozent Grünfläche. Damit ist der 7. Bezirk (gemeinsam mit der Josefstadt) Schlusslicht