Muslime stoppen Koran-Verteilungen in Wien
Von Bernhard Ichner
Mit Info-Ständen, auf denen groß „Lies!“ steht und an denen gratis der Koran verteilt wird, erlangte eine Gruppe Muslime in den vergangenen Monaten zweifelhafte Bekanntheit. In Wien sorgten die Aktivisten in erster Linie auf der Mariahilfer Straße für Unbehagen bei Passanten. Ein Umstand, den Hauptorganisator Mustafa Brahja bedauert. Weshalb er die (bereits genehmigten) Verteilaktionen einstellt.
Wie berichtet, wollte zuletzt der grüne Bezirksvorsteher von Wien-Neubau, Thomas Blimlinger, die Koran-Verteilungen unterbinden. Zumindest in der Nähe von Flüchtlingsquartieren. Er fürchtet, dass Salafisten dort versuchen könnten, aus Syrien geflohene Menschen für den IS zu rekrutieren.
Verbieten lassen sich die Koran-Verteilungen allerdings nicht. Und Gesetzesverstöße oder tatsächliche Rekrutierungsversuche seitens der Koran-Verteiler hätten bis dato nicht stattgefunden, heißt es im Innenministerium.
Unabhängig davon hat auch die Islamische Glaubensgemeinschaft mit den Verteilaktionen wenig Freude. Denn bei Der Edle Qur’an – Die ungefähre Bedeutung in der deutschen Sprache handle es sich zwar um eine gängige, aber für Laien schwer verständliche Koran-Übersetzung, erklärt Sprecherin Carla Amina Baghajati. Bei einem Gespräch mit Brahja konnte nun eine vorläufige Lösung erzielt werden.
Freiwilliger Verzicht
Der Verantwortliche für etwa 95 Prozent der Koran-Verteilungen in Österreich will zwar nicht „klein beigeben“ – „aber um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, sind wir bereit, die Verteilaktionen ab morgen (Freitag; Anm.) auszusetzen“, sagt er zum KURIER. Während der gesamten Vorweihnachtszeit und im Jänner werde es in Wien keinen einzigen Info-Stand geben. Im kommenden Jahr werde man dann zwar wieder um Genehmigung ansuchen – aber seltener.
Ob dann noch „Lies!“ auf den Ständen steht, ist fraglich. Denn rein werbetechnisch sei das Wort nicht besonders hilfreich, sagt Brahja. Wird es doch oft mit dem englischen Wort für „Lügen“, also mit „lies“, verwechselt. Darum überlegt er nun eine Umbenennung in „Read!“.
Mit der deutschen Lies-Stiftung des salafistischen Netzwerks „Die wahre Religion“ habe man nichts zu tun, sagt Brahja – der bestreitet, ein Salafist zu sein. „Wir lassen bloß gemeinsam die Bücher drucken – aus Kostengründen.“ Darum sei man an den Namen gebunden.
"Einladung, Islam zu lesen"
Den Koran verteile er nicht, um zu missionieren, sondern weil er einladen wolle, den Islam kennenzulernen. Tatsächlich angenommen hätten den Glauben infolge seiner Aktivitäten in den vergangenen zwei Jahren bundesweit aber erst etwa 50 Personen.
Blimlingers Befürchtung, man könnte Flüchtlinge für den IS rekrutieren, sei unnötig. „Das ist doch widersinnig: diese Menschen sind doch vor dem IS geflüchtet. Diesen Gedanken haben wir nicht. Außerdem ist unser Koran auf Deutsch – was kein Flüchtling versteht. Und meine Helfer können auch nicht Arabisch.“
Den IS nennt Brahja „eine Bande mit zu viel Geld“ und Austro-Terrorist Mohamed M. einen „Vollidioten, der Unsinn redet, der mit dem Islam nicht vereinbar ist“.