Chronik/Wien

Kritik: Wiener Einwanderungsbehörde arbeitet zu langsam

Letztendlich blieb Peter Berry nur der berühmte britische Humor.

Vor drei Wochen wollte sich der Brite nach dem Brexit bei der Magistratsabteilung für Einwanderung und Staatsbügerschaften (MA 35) in Meidling eine Anmeldebescheinigung holen. Die brauche er nun dringend, sei ihm gesagt worden.

"Ich bin also um 6.30 Uhr hin, weil ich gehört habe, dass man länger warten muss." Doch er war bei weitem nicht der Erste. Rund 153 Personen seien bereits vor dem Amt angestanden. "Es gab welche, die waren bereits um 5 Uhr da", erzählt er.

Nach eineinhalb Stunden in der Kälte konnte er ein Ticket ziehen und sich im Wartebereich niederlassen - am Boden. Erst um 13 Uhr sei er schließlich drangekommen.

Beschwerden über Wartezeiten bei der MA 35 aber auch über viel zu lange Verfahrensdauern prangern nun auch die Neos an. "Es haben sich in den vergangenen Monaten vermehrt Betroffene gemeldet, die von Schikanen, langen Wartezeiten und langen Verfahren berichten", sagt Klubobmann Christoph Wiederkehr. Er selbst machte sich am Dienstag selbst ein Bild.

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"Schon kurz vor sieben Uhr haben hunderte Personen in der Kälte gewartet", berichtet er. Darunter sei sogar eine Frau mit einem Baby gewesen.

Vier Jahre bis zur Staatsbürgerschaft

Tatsächlich kritisierte bereits die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht 2018 die Vorgänge in der Wiener Einwanderungsbehörde. 160 Personen hatten sich im Berichtsjahr beschwert. Der Großteil der Beschwerden betraf die "unangemessene Verfahrensdauer".

Konkret konnte die Volksanwaltschaft in dem einen Jahr 124 Beschwerden überprüfen, 84 davon waren berechtigt. In den meisten Fällen stellte die Ombudsstelle fest, dass die MA 35 über längere Zeiträume keine Verfahrensschritte gesetzt hatte. Laut Gesetz müsste die Behörde eigentlich innerhalb von sechs Monaten über Anträge von Bürgern entscheiden. In einem Fall, so die Volksanwaltschaft, dauerte das Staatsbürgerschaftsverfahren aber sogar vier Jahre.

Geändert hat sich damals nichts, stellen nun die Neos fest. "Betroffene hängen in der Luft und das wirkt sich natürlich auch massiv auf das berufliche und familiäre Leben der Antragsstellenden aus", sagt Wiederkehr. Etwas, das Dino Rehanovic am eigenen Leib erfahren musste.

"Leute sollen sich nicht willkommen fühlen"

Der gebürtige Bosnier, ein Fotograf und freischaffender Künstler, wartet nach eigenen Angaben bereits seit zweieinhalb Jahren auf die Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung. "Alle drei bis vier Monate bekomme ich die Nachricht, dass ich Unterlagen nachbringen muss", ärgert er sich. "Das Verfahren wird bewusst verlängert, damit die Leute sich nicht willkommen fühlen", glaubt er.

Dabei lebt der 37-Jährige bereits seit 20 Jahren in Österreich. Doch weil sein Einkommen für eine Daueraufenthaltsgenehmigung zu gering sei, müsse er immer wieder um Verlägerung der Aufenthaltsgenehmigung ansuchen. Bis zu 50 Mal sei er bereits bei der MA 35 gewesen, mittlerweile vermeide er es, hinzugehen.

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Für Wiederkehr handelt es sich um ein strukturelles Problem. So sei etwa nicht zu verstehen, dass Anträge nicht online sondern nur persönlich eingebracht werden können.

"Man muss das Antragsformular online ausfüllen, es ausdrucken und unterschreiben. Dann kommst du zur Sachbearbeiterin und sie muss es erneut in den Computer eintippen", berichtet etwa Brite Berry. "Zu diesem Zeitpunkt habe ich nur noch gelacht."

Dazu komme laut Neos-Nationalratsabgeordneter Stephanie Krisper das unübersichtliche Aufenthaltsrecht. Die Neos fordern daher eine Neuregelung der Einwanderung. Einbürgerungen müssten fairer gestaltet werden. Es sei etwa Praxis, dass kurz vor Ablauf der gesetzlich festegelgten Sechsmonatsfrist Unterlagen nachgefordert werden - um damit zu verhindern, dass sich Betroffene wegen der Dauer beschweren. Kafkaesk, nennt das Krisper, und ein "demokratiepolitisches Defizit".

"Fehler passieren - sind aber die Ausnahme"

Bei der MA 35 weist man die Vorwürfe, Verfahren zu verschleppen oder willkürlich zu handeln, zurück. "Es tut mir leid, wenn der Eindruck entsteht", sagt Leiter Werner Sedlak. "Es passieren sicher Fehler und manchmal bleibt was liegen, aber das sind die großen Ausnahmen." Bei langen Verfahren liege es oft an mangelhaften oder fehlenden Unterlagen.

Außerdem: Beschwerden könnten nach Ablauf der Sechsmonatsfrist jedenfalls gemacht werden. Den Fall von Rehanovic könne er daher nicht nachvollziehen. Generell liege die Mediansverfahrensdauer bei EU-Bürgern bei null Tagen - es werde also nahezu sofort entscheiden. Im Drittstaatenbereich liege sie bei 30 Tagen.

Was Sedlak aber einräumt, sind die langen Wartezeiten vor dem Amt. Seit Herbst gebe es einen "unvorhersehbar starken Andrang" und darunter eben viele Anträge von EU-Bürgern und ihren Angehörigen, die in Meidling bearbeitet würden.

Man habe jedoch rasch reagiert: Es gebe nun elf Mitarbeiter mehr an diesem Standort - also insgesamt 36 - und man achte darauf, wirklich alle Anträge anzunehmen. Zudem sei bereits im Sommer der Warteraum umgebaut worden, nun könne man bereits um 7 Uhr ins Amt statt erst um 8 Uhr. Und für ältere und gebrechliche Menschen sowie Mütter mit Kindern gebe es außerhalb der Öffnungszeiten Sondertermine.

Weiterer Standort überlegt

"Wir nehmen das schon sehr ernst und ich will auch gar nicht kleinreden, dass das aus Kundensicht sehr unzufriedenstellend ist", sagt Sedlak. Um solchen Andrängen vorzubauen, werde zudem überlegt, einen weiteren Standort der MA 35 für Bürger aus dem Europäischen Wirtschaftsraum zu eröffnen.

Und was die Digitalisierung des Amtes betrifft: "Wir würden das ganze auch gerne online abwickeln. Allerdings hat es der Gesetzgeber so vorgesehen, dass die Leute persönlich vorstellig werden müssen."

Das wird wohl auch Brite Berry blühen. Großbritannien gehört nun nämlich nicht mehr zur EU. Er versucht es mit Humor zu nehmen.