Chronik/Wien

Kritik an inflationären 30er-Zonen

Rund um die rasant wachsenden Tempo-30-Zonen in Wien (siehe Grafik unten) entbrannte Freitag eine heftige Diskussion. Denn der Autofahrerclub ARBÖ kritisiert, dass die Tempo-Bremsen nicht mehr zeitgemäß sind. Sprecher Kurt Sabatnig präzisiert: "Zum einen ärgern sich die Autofahrer über die inflationären 30er-Zonen, zum anderen ist jetzt wissenschaftlich bewiesen, was von Experten vermutet wurde. Die Reduktion von 50 km/h auf 30 km/h spart keine Emissionen."

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Vielmehr kommt eine Studie der Technischen Universität Wien (TU) zum Ergebnis, dass mit Tempo 30 um sechs Prozent mehr Abgase emittiert werden. Trotzdem werden in Wien, Graz und anderen österreichischen Städten die Tempo-30-Zonen von der Lokalpolitik forciert. Die Verkehrssicherheit soll so gehoben, die Lärmbelastung dadurch reduzieren werden.

"Erklärtes Ziel der Politik war und ist aber auch eine Verringerung der Schadstoffemissionen. Doch die Ergebnisse der TU-Studie zeigen, dass Tempo 30 keine sinnvolle Lösung zur Hebung der Luftqualität in Städten ist", kritisiert Sabatnig. Der ARBÖ fordert jetzt eine Evaluierung aller in Österreich ausgewiesenen Tempo-30-Zonen.

Nimmt man Wien als Beispiel, so sind bereits 1692 Straßenkilometer – vom 2771 Kilometer langen Straßennetz – als 30er-Zonen ausgewiesen. Das sind 61 Prozent aller Wiener Straßen (Bundesstraßen und Stadtautobahnen eingerechnet). Eine Evaluierung der Zonen – mit dem Hintergrund, ob sie umwelt- und lärmtechnisch relevant sind – würde das Stadtbudget schwer belasten.

Tatsächlich aber baut Wien die Zonen noch aus. Bernhard Engleder, Leiter der Verkehrsplanung (MA 28) im Klartext: "Es werden einige Abschnitte auch noch heuer dazukommen. In erster Linie ist das Wunsch der Bezirke."

Ignoranz

Auch für Brigadier Karl Wammerl, Chef der Wiener Verkehrspolizei, sind die 30er-Zonen ein zweischneidiges Schwert: "Gute zwei Drittel der Lenker halten sich ohnehin nicht daran. Wir bekommen von Anrainern immer wieder Beschwerden, dass durch die Zonen wesentlich schneller als erlaubt gefahren wird." Dann rücken die Beamten mit ihren Radargeräten aus. Auch auf sanften Druck der Bezirksvorsteher. Wammerl: "Die Geschwindigkeits-Übertretungen sind dann zwar nicht hoch, aber der Sinn der Verkehrssicherheit geht verloren. Dort, wo sich die Beschwerden häufen, wird ein fixes Radargerät installiert."

Fragwürdiges Detail am Rande: Wenn die Polizei kontrolliert, werden auch sehr viele Anrainer beim Schnellfahren in der 30er-Zone ertappt. Viele dieser Lenker forderten bei den Bezirks-Befragungen aber mit Nachdruck Tempo 30 in ihrem Grätzl.

Schon vor der Erweiterung der 30er-Zonen warnte ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer: "Je mehr eine 30er-Zone von Verkehrsteilnehmern als nicht notwendig empfunden wird, desto häufiger wird die Bestimmung auch übertreten." Nachsatz: "In der Folge ist zu befürchten, dass gerade an solchen Stellen vermehrt gemessen und natürlich abkassiert wird."

Auch bei den Wiener Linien gibt es Probleme mit Tempo 30. Denn bei langsamerer Fahrt müssen – um Intervalle einzuhalten – mehr Busse eingesetzt werden. Sprecher Answer Lang: "Dadurch entstehen höhere Kosten. Unser Anliegen aber ist es, Fahrgäste möglichst rasch und günstig von A nach B zu bringen."

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