Chronik/Wien

KAV-Manager: "Haben einen Rückstau bei den Spitalsanierungen"

Zwei bis drei Mal pro Woche ist Herwig Wetzlinger selbst noch im Krankenhaus Nord, um zu überprüfen, wie der Echtbetrieb funktioniert. „Aber mein Zeitaufwand für dieses Projekt ist zuletzt deutlich geringer geworden“, gibt er sich entspannt. Als stv. Direktor des Krankenanstaltenverbunds (KAV) war die vergangenen eineinhalb Jahre damit beschäftigt, die arg ins Trudeln geratene Baustelle in Floridsdorf zum Abschluss zu bringen. Jetzt, knapp zwei Monate nach Betriebsstart, zieht er eine Zwischenbilanz.

KURIER: Bleibt es beim geplanten Vollbetrieb des KH Nord im September?

Herwig Wetzlinger: Die Betriebsaufnahme war ein durchgängiger Erfolg. Innerhalb von dreieinhalb Wochen haben wir wie geplant alle Strukturen besiedelt. Mittlerweile hatten wir schon 1.877 Aufnahmen, mehr als 700 Operationen und rund 140 Geburten. Die Leistungszahlen entwickeln sich also so, dass wir wie angestrebt im September den Vollbetrieb erreichen können. Es zeigt sich nun auch, dass es richtig war, einen zeitlichen Abstand zwischen Betriebsstart und Vollbetrieb zu lassen. Das gibt uns jetzt die Möglichkeit, bestimmte Dinge noch nachzubessern.

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Was zum Beispiel?

Nehmen wir etwa das neue Operationszentrum: Hier sind jetzt Mitarbeiter aus verschiedenen Standorten wie dem Krankenhaus Hietzing oder Floridsdorf zusammengekommen, wo sie ganz unterschiedliche Abläufe und Arbeitsweisen gewohnt waren. Jetzt müssen sie am neuen Standort nach einem neuen Regelwerk und standardisierten Prozessen zusammenarbeiten. Damit sich das einspielt, braucht es Monate.

Medial standen zuletzt eher Pannen wie Wassereintritte oder fehlende Rollatoren im Fokus. Wie ist das in einem neuen Spital möglich?

Im Vergleich zu Größe und Komplexität des Krankenhaus sind das sehr kleine Probleme. Dass sie medial ein Thema sind, zeigt nur, wie gut das Spital funktioniert. Wenn es tatsächlich noch zu wenige Rollatoren gibt, derzeit sind es 74, kaufen wir welche nach. Und natürlich kann es zu Beginn des Betriebs zu Leitungsschäden kommen. Ich bin nur froh, wenn das gleich und nicht erst nach zwei Jahren passiert, wenn kein Versicherungsschutz mehr besteht.

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Laut Ärztekammer fehlen 50 Ärzte im KH Nord.

Die Berechnung der Kammer geht davon aus, dass jeder Arzt nur 40 Stunden pro Woche arbeitet und keine Überstunden leistet. Das entspricht aber nicht der Realität. Außerdem ist das Spital noch nicht in Vollbetrieb. So kann gar nicht beurteilt werden, ob es in einzelnen Abteilungen zu wenige oder zu viele Mitarbeiter gibt. Ich gehe aber davon aus, dass unsere Berechnungen korrekt sind. Klarheit wird es nach Erreichen der Solleistung geben, dann werden wir eine Evaluierung der Personalstärke vornehmen.

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Mit einigen Firmen gab es keine Einigung, sondern es musste vor Gericht gezogen werden. Wie viele Verfahren sind noch offen?

Nach wir vor jenes, das wir gegen die Statiker-Firma angestrebt haben. Weiters zwei mit der Projektsteuerung alt, die einerseits uns geklagt hat und die andererseits von uns geklagt wurde. Grundsätzlich versuchen wir aber Einigungen über Schiedsgerichte zu erzielen, weil das kostengünstiger ist. Hier rechnen wir noch mit Verfahren, wenn es an die Schlussrechnung geht.

Hat der KAV schon die 95.000 Euro für die Errichtung des energetischen Schutzrings zurückbekommen?

Wir haben uns im Zusammenhang mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu einem Privatbeteiligungsanschluss entschlossen, um sicherzustellen, dass die Ansprüche des KAV auch später noch geltend gemacht werden können.

Von Klagenfurt nach Wien

Der studierte Elektrotechniker (58) wurde 2002 Kaufmännischen Direktor des Klinikums Klagenfurt, wo er den Neubau des dortigen Spitals managte. 2011 wurde er Vize-Direktor des AKH Wien, 2014 Direktor. Seit 2017 ist er auch im Vorstand des Krankenanstaltenverbunds (KAV).

Krankenhaus Nord

Mit einer Verzögerung von drei Jahren und einer Kostenüberschreitung von rund 30  Prozent ging das Spital im Juni in Betrieb.  Es verfügt über knapp 800 Betten  und rund 2.500 Mitarbeiter. Pro Jahr sind 40.000 stationäre Aufnahmen und  250.000 Ambulanzbesuche geplant.

 

Ging der Fokus auf die möglichst rasche Inbetriebnahme des Krankenhaus Nord in den vergangenen Monaten nicht zu Lasten der anderen KAV-Spitäler, die deshalb auf dringend benötigte Investitionen verzichten müssen?

Der Bau des Krankenhaus Nord hatte in den vergangenen zehn bis 15 Jahren Priorität, um die Versorgung des Nordosten Wiens sicherzustellen. Unabhängig von den Kostenüberschreitungen hat dieses Großprojekt die Finanzmittel des KAV natürlich in hohem Maße gebunden. Andere Vorhaben wurden daher nicht mit ähnlichem Elan verfolgt. Tatsache ist: Wir haben einen Rückstau bei den Sanierungen von den Standorten wie das Wilhelminenspital oder das Krankenhaus Hietzing. Es wird demnächst ein Programm geben, welche Projekte und Bauvorhaben wir in den nächsten 15 Jahren umsetzen werden, um diese Standorte für die Zukunft zu sichern.