Chronik/Wien

Kaufsüchtiger Gewerkschafter hat 88.848 Euro aus Kassa genommen

Der Prozess gegen den ehemaligen Kassier der FSG-Gewerkschaft in der GPF (Post und Fernmeldegewerkschaft) gestaltete sich am Dienstag am Wiener Landesgericht für Strafsachen als "Exkurs in die Kaufsucht", wie es Richterin Minou Aigner beschrieb.

Der Angeklagte, Helmut P., schildert: "Ich habe 70 bis 80 Uhren und jedem Familienmitglied zu Weihnachten 10 bis 15 Geschenke gemacht." Seinen begehbaren Kleiderschrank habe er mit teuren Anzügen gefüllt.

"Der Moment des Kaufes machte mich glücklich", sagt P. Er habe einfach alles gekauft, was im Fernsehen zu sehen war: Küchenartikel, Wohnungsdekoration, Vasen und vieles mehr.

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Diese Kaufsucht verspüre er seit 2010. Nachdem er nach zwei Krediten keinen neuen mehr bekam und ihm das Geld ausging, begann er ab 2014 schließlich, Geld aus der Kasse der FSG-Gewerkschaft zu entnehmen. Sein Posten als Kassier ermöglichte ihm das.

Er habe seinem Vorsitzenden Schecks zwischen 1.500 und 3.000 Euro vorgelegt und Gründe erfunden, wofür das Geld benötigt werde. Schlussendlich fehlten in der Gewerkschaftskasse rund 88.848 Euro.

Selbstanzeige

Der fehlende Betrag fiel bei einer internen Kassenüberprüfung auf: Die Gewerkschaft tätigte Anfang des Jahres eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, P. machte eine Selbstanzeige und gestand die Tat.

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Normalerweise steht auf Veruntreuung mit dieser Schadenshöhe eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Doch Staatsanwältin, Richterin und Verteidiger einigten sich auf eine Diversion. Die Schöffen wurden nach Hause geschickt.

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Die Selbstanzeige, die Kaufsucht und das fortgeschrittene Alter des Angeklagten, der keine Vorstrafen hat, sprachen dafür. Zudem befindet sich P. seit Februar in Therapie und hat der Gewerkschaft bereits rund 30.000 Euro zurückbezahlt.

"Ich kann nicht nur auf die Schadenssumme schauen, sondern muss auch auf die Täterpersönlichkeit achten", sagt Richterin Aigner.

Einigung mit Gewerkschaft

Seine Einigung mit der Gewerkschaft, die restlichen Schulden in monatlichen 500 Euro-Raten (bei Sonderzahlungen in 1.000 Euro-Raten) zurückzuzahlen, fasste die Richterin in eine Weisung.

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Zudem muss P. 80 Sozialstunden innerhalb von sechs Monaten verrichten. Eine Verurteilung wurde zur Durchführung der Diversion auf unbestimmte Zeit vertagt.

"Wir sind sehr zufrieden damit, dass in diesem Fall auf die besonderen Umstände eingegangen wurde", sagt Mathias Burger, der Verteidiger des Angeklagten. P. wird weiter seiner Arbeit beim Verein "post.sozial" nachgehen können.