Häupl: "Der Gratiskindergarten bleibt"
Zwei Gewinner. Zwei Verlierer. So sieht die Bilanz nach einem Jahr Rot-Grün in Wien aus. Zumindest wenn man einer SPÖ-Umfrage Glauben schenkt, die derzeit in Parteikreisen kursiert. Demnach hält die SPÖ bei 43 Prozent der Stimmen. Bei der Wien-Wahl im Oktober kamen die Genossen noch auf 44,3 Prozent. Die Gebührenerhöhungen der letzten Monate haben Spuren hinterlassen. Allerdings nur bei den Roten. Die Grünen legen leicht zu und liegen bei knapp 14 Prozent (plus 1,4). Im Interview nimmt Bürgermeister Häupl (SPÖ) zu den wichtigen Themen des Jahres Stellung und erklärt, wie er der FPÖ im Jahr 2012 Paroli bieten möchte. Immerhin legen die Blauen in der Wählergunst zu (27 Prozent, plus 1,3). Abgeschlagen bleibt die ÖVP. Sie stürzt auf 8 Prozent ab (minus 5,9).
KURIER: Herr Bürgermeister, über zwei Monate kündigte Rot-Grün eine Gebührenerhöhung nach der anderen an: Wasser, Parken und Hundesteuer. War es klug, das so zögerlich umzusetzen?
Michael Häupl: Wir erhöhen die Gebühren ja nicht zum Spaß. 19 Jahre lang war der Preis für Wasser gleich. Man könnte sagen, dass das beinahe verantwortungslos war. Denn die Wiener sind die hohe Qualität der städtischen Betriebe gewohnt. Doch hierzu bedarf es Investitionen. Und in Ihrem Interesse: Hätten wir alles auf einmal gelöst, hätten Journalisten ja nichts zu schreiben.
Aber die Umfragen für die SPÖ wären vielleicht besser.
Machen Sie sich um uns keine Sorgen. So schlecht sind die Umfragen nicht.
Dennoch: Die Maßnahmen treffen vor allem die kleinen Leute und nicht jene, die es sich leisten können.
Das ist schlicht falsch. Eine Wiener Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern, 90 -Quadratmeter-Wohnung und Hund profitiert von unserer Politik. Alle Gebührenerhöhungen machen in Summe 70 Euro im Jahr aus. Allein die billigere Jahreskarte bringt pro Person 84 Euro. Und der Gratiskindergarten bedeutet im vorliegenden Fall eine Ersparnis von 5400 Euro im Jahr.
In Europa wackeln derzeit ganze Staaten und Sie wollen dabei bleiben: Der Gratiskindergarten wird 2012 nicht abgeschafft?
Nein. 2012 nicht und 2013 und 2014 auch nicht.
Haben Sie keine Sorge, dass auch Wien in Bälde finanziell ins Wanken geraten könnte?
Definitiv nicht. Laut EU-Vertrag darf der Schuldenstand eines Landes 60 Prozent des BIP nicht überschreiten. In Wien beträgt er 5 Prozent. Und ab 2015 werden wir diese Schulden wieder abbauen.
Ohne Sparen wird’s nicht gehen. Wann werden endlich die Wiener Beamtenpensionen angegangen? Der Rechnungshof sieht hier ein Potenzial in Millionenhöhe.
Ich bin da anderer Meinung. Wir setzen die Pensionsreform des Bundes ja um.
Nur lassen Sie sich bis 2042 und somit länger als alle anderen Bundesländer Zeit.
Auch Beamte sollen sich auf ihre Verträge verlassen können. Und es ist nicht so, dass wir nichts unternommen hätten. Anfang der 90er waren in der Stadt 80 Prozent der Mitarbeiter Beamte und nur 20 Prozent Vertragsbedienstete. Heute ist das Verhältnis umgekehrt.
So lange Sie Bürgermeister sind, werden die Pensionen also nicht angegangen?
Solange ich Bürgermeister bin soll man lieber über ein neues Gehaltsschema reden: Höhere Einstiegsgehälter und geringere Vorrückungen. Das gehen wir 2012 an.
Wie stehen Sie Ausgliederungen von MA 48 und Wiener Hafen gegenüber?
Im Bereich der Daseinsvorsorge – dazu zählt auch die Müllabfuhr – denken wir nicht im Entferntesten an Privatisierungen. Das muss öffentlich bleiben. Auch beim Hafen sehe ich keinen Handlungsbedarf.
Im AKH gab es zuletzt massive Brösel. Neun Mio. Euro fehlten im Budget des Hauses.
... bei einem 1,2 Milliarden Gesamtbudget. Glücklicherweise ist der Minister (Karlheinz Töchterle, ÖVP, Anm.) seiner Verantwortung nachgeko mmen und hat dieses Loch gestopft. Jetzt geht’s darum, das Haus mit einer Betriebsgesellschaft auf neue Beine zu stellen. Ich schlage eine Gesellschaft vor, die zu je 50 Prozent von Bund und Stadt finanziert wird.
Der Minister hat schon klargemacht: Er möchte nicht mehr als die Forschung bezahlen. Die Gesundheitsversorgung ist Ländersache.
Darüber werden wir im Jänner reden. 2012 müssen jedenfalls beim AKH Nägel mit Köpfen gemacht werden.
Anders als beim AKH ist die Stadt sehr wohl für die Finanzierung der acht Ordensspitäler verantwortlich. Dort fühlt man sich im Stich gelassen. 18 Millionen Euro fehlen.
Auch hier wird es Gespräche geben. Nur so viel: Seit 2008 haben wir die Zuschüsse für die Ordenshäuser um 65 Prozent erhöht.
Gleichzeitig hat die Stadt Investitionszuschüsse gekürzt. Von einer Steigerung blieb da nicht viel übrig.
Natürlich werden Investitionszuschüsse nur gewährt, wenn Investitionen anstehen. Aber noch einmal: Die Verhandlungen laufen. Es wird auch über die Rolle, die die Häuser in der Wiener Spitalslandschaft spielen, geredet werden. Eine bessere Abstimmung ist nötig.