Chronik/Wien

Grüne Radwege sind für den ÖAMTC ein Rückschritt

Beim Autofahrerclub ÖAMTC kommen die grünen Test-Radwege gar nicht gut weg. „Sie sollen zwar Orientierungshilfe für Verkehrsteilnehmer sein, aber das artet immer mehr in Reizüberflutung aus“, meint Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. „Die trägt nicht gerade zur Steigerung der Konzentration bei. Einerseits ist dauernd von ,Shared Space‘ (gemeint ist eine Verkehrsregelung ohne Hinweisschilder, Ampeln oder Schutzwege; Anm.) die Rede, andererseits führt man jetzt noch eine zusätzliche Markierung ein. Das ist ein Rückschritt.“

Die Farbe Grün könne sich noch als problematisch erweisen, meint Seidenberger. „Weil jedes Kind lernt: ,Rot heißt Stopp!‘ und ,Grün heißt freie Fahrt!‘ – Da stellt sich jetzt die Frage: Wie markiere ich Kreuzungsbereiche so, dass der Radfahrer merkt, dass er stehen bleiben muss?“

Im Fall des grünen Testweges vor dem Westbahnhof fiel diese Markierung jedenfalls nicht zur Zufriedenheit aller aus. „Der grüne Streifen ist über einen Schutzweg drübergelegt, die Zebrastreifen erkennt man kaum“, kritisiert Martin Hoffer, Leiter der ÖAMTC-Rechtsabteilung. „Das suggeriert, dass Fußgänger den Radweg zu berücksichtigen haben. Aber das ist Blödsinn: Passanten auf dem Schutzweg haben Vorrang.“

Der KURIER ließ die Leser über die ideale Farbe für die Radwege abstimmen. Das vorläufige Ergebnis lautet: 29,8 Prozent möchten sie asphaltgrau belassen, 29,1 Prozent gefällt Grün gut und immerhin 13 Prozent könnten sich mit rosa Radwegen anfreunden (siehe Grafik).

Fahrrad-Beauftragtem Martin Blum ist die Farbe im Prinzip egal. Neuralgische Stellen flächendeckend einzufärben, sei aber international Usus. „In Vancouver sind die Radwege ebenfalls grün, in Kopenhagen oder auch in München sind sie blau. Das erzielt dieselbe Wirkung. Mein Eindruck ist, dass das die Übersichtlichkeit steigert.“

Für Grün spreche, dass die Farbe nicht anderweitig besetzt sei. Rot weise auf Gefahrenstellen hin; Blau werde bei uns mit der Parkraumbewirtschaftung assoziiert.

SPÖ-Verkehrssprecher Gerhard Kubik glaubt, dass eine Markierung an manchen Stellen durchaus Sinn machen könnte. Er stößt sich aber an Vassilakous Informationspolitik: „Man hätte vorab mit den Bezirken reden müssen. Schließlich sind sie es, die später für die Erhaltung der Markierungen zuständig sein werden.“ Was die Farben angeht, könne er sich auch mit Grün-Weiß anfreunden.

Wie der KURIER aus höchsten Rathaus-Kreisen erfuhr, wird dort aber Violett bevorzugt. Schließlich ist Bürgermeister Häupl glühender Austrianer.

Die Opposition sieht die Umfärbung sehr skeptisch und spricht von "Geldverbrennung". Bei den Grünen argumentiert man jedoch, dass die kolportierten Gesamtkosten von zehn Millionen Euro als „fiktive Kosten“ zu verstehen sind, die erst anfielen, wenn man alle Radwege auf einmal umfärben würde.

Martin Blum, der Radverkehrsbeauftragte der Stadt Wien, ließ sich am Freitag bereitwillig beim Morgensport fotografieren. Bis das letzte Bild im Kasten war, radelte er für die anwesenden Journalisten mehrmals ein paar hundert Meter die Operngasse entlang – und zwar auf der Busspur statt auf dem Radweg.

Seit Freitagfrüh dürfen Fahrradfahrer in der Operngasse zwischen Karlsplatz und Preßgasse wieder die Straße benützen. Die Benutzungspflicht des Radweges wurde von der Stadt Wien aufgehoben. Die MA 46 (Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten) folgt damit einer Empfehlung des Wiener Kontrollamtes, um die Sicherheit auf einem der meistfrequentierten Radwege zu verbessern.

Blum freut sich, „dass hier mit der Bezirksvertretung eine Entlastung für alle Verkehrsteilnehmer geschaffen wurde. Geübte und schnelle Radfahrende können hier ab sofort auf die Straße beziehungsweise auf die Bus- und Taxispur ausweichen.“

Geringeres Tempo

Insbesondere Kinder, Familien und ungeübtere Radfahrer erhalten durch die Maßnahme mehr Platz auf einem der meistbefahrenen Radwege Wiens, meint Blum. „Das steigert die Verkehrssicherheit unter den Radlern sowie gegenüber den zu Fuß Gehenden.“

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Zudem erhöhen Radfahrer auf der Fahrbahn nach Blums Meinung die Verkehrssicherheit, „da die Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer steigt und das Geschwindigkeitsniveau sinkt“.

Die Verkehrsmaßnahme wird auch entsprechend kommuniziert: 15 Verkehrszeichen wurden bereits ausgewechselt. Die runden Gebotsschilder für Rad- bzw. Rad/Fußwege machten neuen eckigen Hinweistafeln Platz.

Zusätzlich werden entlang der Busspur vier „Ausgenommen Radfahrer“-Schilder montiert. Die Gesamtkosten liegen bei 6000 Euro.

www.fahrradwien.at