Gründerzeithaus: Eigentümer muss nach Teilabriss Dach wiederherstellen
Von Anna-Maria Bauer
Ziemlich genau vor einem Jahr – einige Tage vor dem 1. Juli 2018 – sorgte die Meldung für Aufsehen: Ein Immobilien-Eigentümer hatte begonnen, das Dach und das vierte Obergeschoß eines 172 Jahre alten Hauses in der Radetzkystraße abzureißen – während 25 Mieter noch darin wohnten. Vorab informiert wurden die Mieterinnen und Mieter nicht.
Gesetzesänderung
Der Grund für den damals hastigen Abriss: Am 1. Juli 2018 trat eine Novelle der Baurechtsordnung in Wien in Kraft. Mit dieser können Gründerzeithäuser und Gebäude, die vor 1945 gebaut wurden, nur noch unter erschwerten Bedingungen abgerissen werden.
Viele Hausbesitzer begannen in den Tagen vor Inkrafttreten also noch schnell mit einem Abriss - um ihre geplanten Neubauprojekte nicht zu gefährden. Um dem Vorgehen vorerst ein Ende zu setzen, verhängte die Stadt Wien einen Baustopp für rund 80 Häuser. Die Arbeiten durften erst fortgesetzt werden, nachdem die zuständige MA 19 geprüft und eine Einwilligung gegeben hatte.
Als Reaktion auf den Abriss in der Radetzkystraße brachten die Bewohnerinnen und Bewohner unter Koordination der "MieterHilfe" und mit Unterstützung von Mieterorganisationen einen Antrag bei Gericht ein. Das Haus in der Radetzkystraße sei schon vorher als Spekulationsfall bekannt gewesen.
Nun konnten sie einen ersten Erfolg verbuchen.
Etappensieg für die Mieter
Denn es gibt eine erste gerichtliche Entscheidung: Das Bezirksgericht Innere Stadt hat der Eigentümerin des Wohnhauses folgendes aufgetragen: Das Dach ist wieder herzustellen, in den leerstehenden Wohnungen sind die entfernten Fenster samt Fensterstöcken wieder einzubauen. Dem Begehren der Mieter wurde damit entsprochen. Das (noch nicht rechtskräftige) Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt ist ein Erfolg für die Bewohner.
Es handelt sich hierbei übrigens nicht um irgendein Gründerzeithaus: Das Gebäude wurde 1847 als erstes Zinshaus im Stil der Neogotik von Josef Kastan erbaut.
Weitere Abrisse
Während die Mieter in der Radetzkystraße also erst einmal aufatmen können, wird andernorts weiter abgerissen. Für das ehemalige Hotel Thüringer Hof im 18. Bezirk kam im Frühling der Bescheid für die Beseitigung. Bereits abgerissen wurde auch schon ein Gründerzeithaus in der Lindauergasse in Ottakring.
Einen offiziellen Abrissbescheid hat seit Juni auch das Gasthaus Sperl, das im Jänner illegal abgetragen worden war.