Freispruch nach dem Tod eines Familientyranns
Jasmina M. kann am Donnerstag im Gerichtssaal im Wiener Landesgericht nicht aufhören, zu weinen. "Ich liebe ihn noch immer", sagt die 38-jährige Frau. Sie spricht von jenem Mann, den sie am 9. Februar in der gemeinsamen Wohnung in Wien-Liesing erstochen hat.
Arnel M., 40 Jahre alt, Kampfsportler und DJ - jener Mann, der auch "seine guten Seiten hatte". Jener Mann, der aber viel zu oft die Kontrolle über sich verloren haben soll. Einmal wurde bei Jasmina M. ein perforiertes Trommelfell festgestellt. Die Frau flehte den Arzt an, nur ja keine Anzeige zu machen.
"Habe versucht, mein Kind zu schützen"
Ihr Anwalt Ernst Schillhammer erzählt außerdem von einem ausgerenkten Kiefer, von Schlägen mit dem Gürtel. Und Jasmina M. erzählt, wie sich ihr Mann über den fehlenden Schulerfolg des Sohnes geärgert hat: "Er hat seinen Gürtel aus der Hose gezogen und damit auf ihn eingeschlagen. Auf seinen Rücken, seine Beine. Ich habe versucht, mein Kind mit meinem Körper zu schützen."
Nie hätte sie ihren Mann töten wollen, sagt sie. Als sie sah, dass ihr Mann tödlich verwundet ist, leistete sie Erste Hilfe, rief alle Blaulichtorganisationen an. "Ich wollte nur nicht geschlagen werden."
Für Anwalt Schillhammer ist das glasklar Notwehr. Der Staatsanwalt allerdings wundert sich über Erinnerungslücken und die Erstversion der Frau - erst erklärte sie, der Mann sei ihr ins Messer gelaufen. Aber: "Das Opfer war nicht der Vater des Jahrhunderts", gesteht selbst der Staatsanwalt zu.
"Ich breche dir alle Knochen"
An diesem Tag, so weit es bekannt ist, gab es einen Streit zwischen dem Opfer und der Stieftochter (18) - Jasmina M. hatte sie in die Ehe mitgenommen. "Er mochte nicht, dass sich meine Tochter wie eine Österreicherin verhält", erklärt die gebürtige Bosnierin. Jasmina M. versuchte zu schlichten, ging dazwischen.
Der Streit flammte in der Küche neu auf. Arnel M. soll ihr gedroht haben: "Ich breche dir alle Knochen. Nicht einmal deine Mutter wird dich wiedererkennen." "Dann hat er seine Kampfhaltung eingenommen und ich wusste, dass er mich gleich schlagen wird", erzählt die Frau. So weit kam es nicht mehr.
Die jugendliche Tochter wurde Zeugin der Tat, der 12-jährige Sohn war gerade bei Nachbarn. Beide Kinder wollen beim Prozess aussagen. Und auch Verwandte des Opfers sind extra aus Bosnien angereist, um den Prozess mitzuverfolgen.
Die Geschworenen kommen relativ rasch - nach etwas mehr als zwei Stunden - zu einem Urteil: Jasmina M. hat in Notwehr gehandelt, so der einstimmige Beschluss. Freispruch. M. darf nach Hause gehen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.