FPÖ stürzt bei den Erstwählern ab
Von Martin Gantner
Bernhard Heinzlmair sagt, er habe das noch nicht erlebt. Seit zehn Jahren beobachtet der Wiener Jugendforscher das Wahlverhalten junger Menschen in der Bundeshauptstadt. "Aber einen solchen Absturz der FPÖ gab es in dieser Wählergruppe bis jetzt noch nicht." Gemeinsam mit seinen Kollegen hat der Leiter des Instituts für Jugendkulturforschung eine Umfrage unter 400 Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren durchgeführt – und die Ergebnisse überraschen. Schenkt man der Umfrage Glauben, dann erlebt die FPÖ von Heinz-Christian Strache zwei Jahre nach der letzten Wien-Wahl und drei Jahre vor dem nächsten Wiener Urnengang einen klaren Absturz bei den Erstwählern.
"Seit der Gemeinderatswahl hat die FPÖ über 50 Prozent der Erstwähler verloren", sagt Heinzlmair dem KURIER. Bei einer Nachwahlbefragung 2010 gaben immerhin noch 23 Prozent der befragten Jugendlichen an, ihr Kreuz bei den Blauen gemacht zu haben. "Zwei Jahre später sind es nur noch neun Prozent, die die Partei wählen würden." Hohe Verluste mussten auch die mächtigen Wiener Sozialdemokraten hinnehmen. Nur noch 24 Prozent der im August befragten Erstwähler gaben an, sie würden der SPÖ ihre Stimme geben. 2010 waren es immerhin noch 36 Prozent, die sich nach der Wahl zu Michael Häupls Team bekannten. Und während die ÖVP auf geringem Niveau stagniert, können neben der Gruppe der Unentschlossenen und der Nicht-Wähler nur die mitregierenden Grünen bei den Jüngsten punkten. Das Team rund um Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou steigert ihr Umfrageergebnis bei den Erstwählern um zwölf Prozentpunkte (26 Prozent). Die Ökopartei mutiert damit zur beliebtesten Erstwählerpartei in Wien. Noch vor zwei Jahren matchten sich die Grünen mit den Blauen um den zweiten Platz.
Bloße Momentaufnahme?
Ist der rot-blaue Einbruch bei Erstwählern bloße Momentaufnahme oder Ausdruck eines bundesweiten Trends? Und können die Grünen mit ihrer ersten rot-grünen Koalition auf Landesebene langfristig an Schlagkraft zulegen? Peter Filzmaier ist skeptisch. "Zwar spiegelt das Ergebnis zweifelsohne das derzeitige Image der Parteien in ganz Österreich wider, aber von einem bundesweiten Trend zu sprechen, wäre verfrüht", sagt der Politologe. "Klar ist aber, dass die FPÖ mit dem Antreten von Stronach und Co. ihr Monopol als Protestpartei verliert – auch bei den Jungen." Die Grünen würden hingegen von ihrem Image als einziger "Nicht-Skandalpartei" profitieren, während die Roten mit Pickerln und Inseraten, die Schwarzen mit der Telekom und die Blau-Orangen mit einem ganzen Bundesland zu kämpfen hätten. "Die letzten Wahlen haben aber gezeigt, dass die FPÖ kurz vor Wahlen stark mobilisiert und dass sich die Leute lieber zu den Grünen als zu den Blauen bekennen, ist auch bekannt."
Und selbst wenn aus einer Momentaufnahme ein Trend werden sollte, müssten sich SPÖ und FPÖ nicht fürchten: "Es gibt in Wien mehr als doppelt so viele Wähler, die älter als 80 Jahre sind, als Jung- und Erstwähler zusammen", sagt Filzmaier. Das Match wird also woanders entschieden.