Erstes Zeugnis für Flüchtlingskinder
"Ich bin, du bist, wir sind. Ja, was sind wir denn? Wiiiir sind tooollll!"
An ihrem letzten Schultag vor der heutigen Zeugnisverteilung sitzen die Kinder in der Volksschule Ziedlergasse im 23. Wiener Gemeindebezirk im Kreis und singen. Mit Klanghölzern, Triangel und Xylophon spielen sie einmal mehr, einmal weniger im Rhythmus dazu.
Was sich nach einer gewöhnlichen Musikstunde in der letzten Schulwoche vor den Sommerferien anhört, ist in diesem Fall mehr. Denn die Kinder, die hier singen, stammen alle aus geflüchteten Familien. Durch das Singen lernen die Schüler Deutsch. "Besonders traumatisierte Kinder können wir so auch ein bisschen aus der Reserve locken", erzählt die Klassenlehrerin Melitta Eitelbös. Die Kinder in ihrer Klasse stammen aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und dem Irak, auch aus Tschetschenien und Russland.
Neu in Wien
Im kommenden Schuljahr soll die Zahl der "Neu-in-Wien-Klassen" auf fünf reduziert werden, die Kinder in regulären Klassen unterrichtet werden.
Grundlagen
Auch Hamed, der die NMS-Klasse von Michaela Meinhart in der Ziedlergasse besucht, soll im nächsten Schuljahr schon eine "normale" Klasse besuchen. "Er ist sehr begabt, besonders in Mathematik", sagt seine Lehrerin. Das Bildungsniveau der Kinder sei aber sehr unterschiedlich. "Manche mussten erst alphabetisiert werden", sagt Meinhart. Dazu kommt, dass Kinder und Eltern lernen mussten, dass die Schule verpflichtend zu besuchen ist und die Kinder pünktlich erscheinen müssen. Mittlerweile kann sich die Lehrerin mit ihren Schülern unterhalten. "Wenn man langsam spricht", ergänzt sie.
Für die Lehrerinnen war das Unterrichten in einer reinen Flüchtlingsklasse eine Umstellung. Die Kinder, die Viola Logan in ihrer mehrstufigen NMS-Klasse unterrichtet, befinden sich etwa zwischen der vierten Volksschule und der vierten NMS.
Wie alt ihre Schüler tatsächlich sind, weiß die Lehrerin nicht. "Bei vielen wurde als Geburtsdatum 1. Jänner angegeben", sagt Logan. Oft hätten Eltern, besonders aus ländlichen Regionen, ihre Kinder erst Jahre nach deren Geburt gemeldet; wann genau sie geboren wurden, habe man oft nicht mehr nachvollziehen können.
"Am Anfang haben sie sich beim Streiten geschlagen oder beim Spielen angespuckt", erzählt die Lehrerin. Das machen sie nun nicht mehr. "Die Kinder haben irrsinnig viel gelernt", sagt Logan. Ein echtes Zeugnis bekommen sie heute zwar nicht, dafür eine Schulbesuchsbestätigung. Den Kindern ist das freilich egal: "Schule gut. Lehrerin gut. Deutsch gut", bringt es Aminat aus Tschetschenien auf den Punkt.