Seit die Wettlokale verschwunden sind, entwickelt sich ein hippes Grätzel.
Wo früher eine "Automatenhölle" war, betreibt Andrea Mühlwisch (49) heute ihr Blumengeschäft Flowercompany. Und auch dort, wo sich seit November das Modegeschäft Egoist befindet, war früher ein Wettcafé. Heute erinnert nur noch das riesige Admiral Sportwetten-Lokal in der Nummer 1 an die alten Zeiten der Pilgramgasse. Denn die knapp 250 Meter lange Gasse im fünften Bezirk war lange Zeit nur für eines bekannt: Ihre Wettlokale.
Das hat sich geändert. Kleine, nette Geschäfte und Cafés haben eröffnet, das Budapest Bistro, das für sein Frühstück bekannt ist, baut jetzt sogar aus.
"In den 80er-Jahren war die Pilgramgasse richtig widerlich. Die U-Bahn-Station Kettenbrückengasse war cool, aber die Pilgramgasse nicht", erzählt Andrea Mühlwisch von der Flower-Company. Aufgrund das Glücksspiel-Verbots mussten die Wettlokale weichen und kleine, qualitative Geschäfte eröffneten.
Mit scharf
Gleich daneben hat vergangenen November Joachim Ivany seinen Imbiss "Die Erbsenzählerei" eröffnet. Der Joachim, der in seinem Geschäft aus Prinzip jeden duzt, hat seinen Laden, in dem er selbst gemachte Salate, Suppen, Eintöpfe und belegte Brote zubereitet (mit Fleisch, ohne Fleisch, vegan) zufällig in der Pilgramgasse eröffnet.
"Ich bin irgendwann da spazieren gegangen, hab’ das Lokal gesehen und die Erbsenzählerei eröffnet", sagt der 42-Jährige. Aber bevor er eröffnete, sei er stundenlang beim Anker Kaffeetrinken gewesen, um zu erkunden, welche Menschen sich hier bewegen. "Ich habe gemerkt: Hier sind viele Dinks, viele Homosexuelle,viele Bobos", sagt der Joachim ("Dink" steht für "Double Income, no kids", also kinderlose Paare mit Doppel-Einkommen, Anm.).
Und das passt wunderbar für ihn, den Erbsenzähler, dem nachgesagt wird, beim Essen besonders pingelig zu sein. "Früher ist man hier nur zur U-Bahn gegangen. Mittlerweile ist es cool. Die Frage ist nur, ob sich all die neuen, die aufgesperrt haben, auch halten können", sagt Ivany.
Ganz neu etwa ist die Chili-Werkstatt, Pilgramgasse Nummer 16. Betrieben wird sie von Simone Taschée und Klaus Postmann, die davor acht Jahre lang das Kuriositäten-Geschäft Bottelini in der Pilgramgasse geführt haben. "Die Gasse hat den richtigen Spirit", sagt Simone Taschée. Die Nähe zum Naschmarkt tue der Gasse tut, die Menschen, die dort einkaufen, seien aufgeschlossen: "Die Kunden haben die richtige Mentalität", sagt Taschée – auch für ein neues Geschäft wie die Chili-Werkstatt. Dort bekommen man allerhand Interessantes mit Chili-Geschmack, zum Beispiel Chili-Fruchtgummi. Man kann sich aber auch sein eigenes Chili-Gewürz zusammenstellen.
Mehr Kunden
Wem nach Kaffee zumute ist, der ist bei Sascha gut aufgehoben. Sascha heißt eigentlich Oleksandr und stammt aus der Ukraine.
Im Alter von acht Jahren hat der heute 38-Jährige mit dem Kaffeetrinken begonnen, im Herbst 2014 hat er seinen Third-Wave-Coffee-Shop "Kaffee von Sascha" eröffnet. Dort gibt’s nicht nur guten Kaffee, sondern auch unwiderstehliche kleine Mehlspeisen von Nina, Saschas Frau.
"Die Gasse entwickelt sich gut", sagt Sascha. "Wir haben jeden Tag mehr Kundschaft."