Ehemaliger SP-Gemeinderat unter Missbrauchsverdacht
Gleich vorweg: Beweise gibt es auch in diesem Fall nicht. Die Anschuldigungen gegen einen ehemaligen, mittlerweile verstorbenen Wiener Gemeinderat (Name der Redaktion bekannt) beziehen sich auf die späten 1960er-Jahre. Kein Foto, kein Video, keine Augenzeugen untermauern die Vorwürfe. Einzig ein damaliger Zögling im Lehrlingsheim Hadersdorf-Weidlingau gibt zu Protokoll, von dem Ex-Politiker mehrmals sexuell missbraucht worden zu sein. Und: Der Mann erhielt für schweren sexuellen Missbrauch eine Entschädigungszahlung.
Heimkarriere
Robert V., 60, hat von seinen ersten zwanzig Lebensjahren "19 Jahre und 50 Wochen" in Obhut der Stadt Wien verbracht. Er war bei Pflegeeltern und in zahlreichen Kinderheimen untergebracht – unter anderem am Wilhelminenberg und auch in Hütteldorf.
Schon im Kinderheim Hütteldorf, sagt V., sei er sexuell missbraucht worden. Er erinnert sich an "Penisspiele" und Geschlechtsverkehr mit dem Erzieher N. Von seinem achten Lebensjahr an war V. im Hütteldorfer Heim, ehe er als 15-Jähriger in das Lehrlingsheim Hadersdorf-Weidlingau im äußersten Westen Wiens wechselte.
Dort begegnete er auch einem Jugendbeauftragten der Gewerkschaft. Und dieser, der später als Zentralbetriebsrat, hoher Funktionär der Wiener Arbeiterkammer und – in den 1980er- und 90er-Jahren – als SP-Gemeinderat der Stadt Wien tätig war, soll Robert V. über Jahre hinweg mehrmals sexuell missbraucht haben.
"Er hat gesagt: ,Du stehst auf der Abschussliste. Du kommst nach Kaiserebersdorf. Aber ich kann dir helfen.’" Kaiserebersdorf galt in den 1960er-Jahren als das schlimmste aller Kinderheime. Robert V. fügte sich. "Der Gewerkschafter hatte ein Druckmittel." Die Vergewaltigungen durch den späteren Stadtpolitiker (nach dem auch eine Gewerkschaftsschule benannt ist) sollen "ein bis zwei Mal pro Woche" stattgefunden haben. Über Jahre. Auch im Erholungsheim Prein an der Rax in Niederösterreich habe sich der Gewerkschaftsfunktionär an ihm vergangen, sagt Robert V.
Der Stadt Wien und dem Büro von Bürgermeister Michael Häupl sind die Vorwürfe seit 2010 bekannt. Robert V., der Ex-Zögling aus dem Lehrlingsheim, hatte mehrere Schreiben an das Stadtoberhaupt versendet. Darin gab er auch den sexuellen Missbrauch durch den ehemaligen Gemeinderat bekannt. Da keine Antwort kam, wandte er sich an die Volksanwaltschaft. Die stellte schließlich fest, dass die Stadt Wien die Anschuldigungen gegen den ehemaligen SPÖ-Gemeinderat an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet hat. Bei der Staatsanwaltschaft selbst ist der Fall jedoch nicht bekannt. So jedenfalls der Stand am Freitag. "Wir haben keinen Akt, der den Gemeinderat oder Herrn V. betrifft", sagte Sprecherin Michaela Schnell. Die Stadt Wien legte dem KURIER aber Belege vor, die die Übermittlung der Anzeige an die Staatsanwaltschaft bestätigen. Jetzt soll geklärt werden, wie und wohin die Anzeige verschwunden ist.
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien wandte sich bereits 2010 an Robert V. Er war auch einer der ersten, der von der Opferschutzorganisation Weisser Ring entschädigt wurde. Mit den Vorwürfen konfrontiert, verweist das Büro von Bürgermeister Michael Häupl auf den zuständigen Stadtrat Christian Oxonitsch. "Auch in diesem Fall wird es eine schonungslose Aufklärung geben", verspricht dieser. "Wie in allen anderen Fällen."
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