Chronik/Wien

Die rot-grünen "Scheinverhandlungen"

Die Erwartungen waren groß, doch am Ende wurden sie enttäuscht. Am Dienstag trafen sich Spitzen der Rathausparteien im roten Klub. Es ist 14.30 Uhr. Das Thema: Die lange angekündigte Reform des Wiener Wahlrechts. Die Absicht der rot-grünen Stadtregierung, die Opposition miteinzubeziehen, ist löblich, doch offenbar nicht ernst gemeint. "Es waren nichts als Scheinverhandlungen", sagt Fritz Aichinger. Der Klubobmann der ÖVP war einer der Sitzungsteilnehmer. Die Hoffnung, dass sich die Grünen mit einer Änderung des SP-freundlichen Wahlrechts durchsetzen, hat er nach dieser zweiten Sitzung aufgegeben. "Vor der Wahl lautete das Ziel von Grünen, FPÖ und ÖVP: Jede Stimme soll möglichst gleich viel wert sein. Ob es nach der Wahl noch das Ziel der Grünen ist, ist zu bezweifeln."

ÖVP-Parteichef Manfred Juraczka ergänzt: "Die Grünen werden wortbrüchig." Der Grund: Vor Beschluss des Gesetzes sei nur noch ein Treffen mit der Opposition im Herbst vereinbart, Vorschläge zu einem echten Verhältniswahlrecht blieb Rot-Grün dennoch schuldig. Die Sorge: Für die SPÖ könnten auch in Zukunft 46 Prozent der Stimmen reichen, um absolut zu regieren.

Allein in zwei Punkten machte Rot-Grün am Dienstag klar Schiff: "Bekräftigt wurde eine Änderung der Briefwahl und, dass EU-Bürger ihre Stimme auch auf Gemeindeebene abgeben können sollen", sagt Aichinger. Bisher dürfen Spanier und Co. nur im Bezirk wählen. "Eine Änderung lehnen wir nicht grundsätzlich ab", sagt Juraczka, "doch dafür ist der Bund zuständig."
Bei der SPÖ will man sich zu den Verhandlungen nicht äußern.

Und die Grünen? Wird ihnen der Notariatsakt vom Mai 2010 zum Verhängnis? David Ellensohn, Klubchef der Partei, glaubt nicht. "Unser Ziel lautet nach wie vor, die Verzerrungen im Wahlrecht zu ändern. Wir sind mit der SPÖ auf einem guten Weg." Details? Fehlanzeige. Doch der Grüne geht zum Gegenangriff über: "Bis heute liegt uns von der ÖVP kein schriftlicher Vorschlag zum Thema Wahlrechtsreform vor." Er bleibt dabei: Das Gesetz werde noch 2012 beschlossen. Und ein Wahlrecht für EU-Bürger? "Das wird so drinnen stehen."