Chronik/Wien

Josefstadt: Heimat der Künstler und Elitären

Es gibt Plätze in der Josefstadt, die fühlen sich an, als wäre man in einem kleinen italienischen Ort – und nicht mitten in Wien. Steht man in der Maria-Treu-Gasse und blickt auf die gleichnamige Barockkirche, zur Linken das Café der Provinz – befindet man sich an so einem Platz. „Das ist einer meiner Lieblingsplätze der Stadt. Und gleichzeitig auch einer der ältesten Wiens. Hier fühlt man sich mit der Stadt verbunden“, sagt Jonathan Irons.

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Seinen Lieblingsort teilt er gerne mit anderen Menschen. Irons macht seit fünf Jahren kostenlose Stadtspaziergänge durch den achten Bezirk. Er ist Mitgründer der Vienna Greeters. Sie führen Touristen kostenlos durch ihre Grätzel, bzw. haben sie das bis vor ein paar Monaten getan.

Zur Zeit finden fast keine Spaziergänge statt, denn durch Corona sind die Touristen ausgeblieben. Versteckte Innenhöfe, Durchhäuser und kleine Gassen haben es dem gebürtigen Engländer in seinem Grätzel angetan. Und die findet man hier zu Genüge.

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Wohnzimmer für alle

Rene und Gabriele K. können sich nicht vorstellen, irgendwo anders zu wohnen. Sie sitzen mit Tochter und Schwiegersohn im Café Hummel am Stammtisch und trinken Kaffee. Seit mehr als 30 Jahren sind die beiden Stammgäste hier. „Die Kellner kannten unsere Töchter schon, als sie noch im Kindergarten saßen“, erzählt Gabriele.

„In der Josefstadt kennt jeder jeden“, das mögen sie an ihrem „familiären Bezirk“, wie sie ihn nennen. In die Gastwirtschaft Heidenkummer gehen die beiden auch gerne. Aber ins Café Hummel kommen sie am liebsten.

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Das Traditionscafé gibt es seit 85 Jahren. Mittlerweile wird es in der dritten Generation von Christina Hummel betrieben. Für sie ist es ebenso der Dorfcharakter, der die Josefstadt ausmacht. „Innerhalb von zehn Minuten hast du hier alles. Du brauchst die Josefstadt nicht verlassen, um etwas Neues zu erleben“, sagt die Unternehmerin.

Sie selbst ist direkt über ihrem Café aufgewachsen, wo sie jetzt wieder wohnt. Das Café Hummel sieht sie als Nahversorger. Zudem kommen viele Menschen, die alleine leben, zum Plaudern.

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Der 8. Bezirk ist mit einer Fläche von 108 Hektar der kleinste Bezirk Wiens. Die Strecke vom Gürtel bis zum Ring ist man in etwa zehn Minuten zu Fuß abgegangen.

Geschichte und Kunst

Die Josefstadt gehört zu den geschichtsträchtigsten Bezirken Wiens. Benannt wurde der Bezirk 1700 nach dem späteren Kaiser Joseph I. Nachdem Wien die Josefstadt erworben hatte, ließen sich viele Adelsfamilien hier nieder.

Neben Adeligen ist die Josefstadt auch die Heimat der Künstler. Johann Lukas von Hildebrandt, Johann Strauss Vater und Sohn, Adele Neuhauser oder Nicholas Ofczarek – nur ein Auszug der berühmten Josefstädter. Das Theater in der Josefstadt wurde 1788 gegründet – und ist heute das älteste bestehende Theater Wiens.

Entstehung der Josefstadt
Im Jahr 1700 wurde die bis dahin namenlose Siedlung vor den Toren Wiens von der Stadt erworben. Adelsfamilien wie Auersperg, Schönborn oder Strozzi stürzten sich auf die Gründe und erbauten ihre Palais.

Namensgebung
Die Josefstadt wurde 1700 nach dem damaligen Kronprinzen und späteren Kaiser Joseph I. benannt.

Gründerzeitflair
In der Gründerzeit entstanden das Rathausviertel, das Parlament und der Justizpalast, wodurch sich Beamte und Wissenschafter hier niederließen.

Ein Bezirk für das Bürgertum und die elitäre Schicht ist die Josefstadt noch heute. Doch der Bezirk wird zunehmend jünger. Auf den Straßen trifft man junge Menschen und viele Kinder.

Traditionelle Wiener Kaffeehäuser reihen sich heute an moderne Kaffeebars. Neben alteingesessenen Schuhmachern findet man vegane Eisläden. Bei der Fülle an Cafés, Bars und internationaler Küche können der Josefstadt nur wenig Bezirke das Wasser reichen.

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Eines hört man aus dem Bezirk jedenfalls oft: Wer einmal hier wohnt, der bleibt meistens. So ging es auch Rene und Gabriele K. „Wir sind einmal weggezogen, weil wir mit den Kindern ins Grüne wollten. Es hat uns aber immer wieder hergezogen. Und jetzt bleiben wir hier.“

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